Seit dem Sturz von Muammar al-Gaddafi im Jahr 2011 kam Libyen nie mehr zur Ruhe. Der Bürgerkrieg ist zum Dauerzustand geworden. Entsprechend sind schon kleine Fortschritte bemerkenswert. Ein solcher ist die Einigung auf dem Berliner Libyen-Gipfel, wo die Teilnehmer sich zumindest auf dem Papier auf einen verbindlichen Waffenstillstand sowie auf die Einhaltung des bisher fortwährend verletzten UNO-Waffenembargos verständigten.
Die Rede ist von einem «Plan für Libyen» mit insgesamt 55 Punkten. Gleich mehrere Gipfelteilnehmer betonten, alle sähen ein, dass es für Libyen keine militärische, sondern nur eine politische Lösung geben könne. Allerdings ist das eine wohlfeile Äusserung, die man auch im Zusammenhang mit dem anderen Dauerkonflikt, jenem in Syrien, schon dutzendfach gehört hat.
Ob der abtrünnige General Chalifa Haftar ebenfalls der Ansicht ist, nun hätten die Kanonen zu schweigen und es gelte am UNO-Verhandlungstisch eine Lösung zu suchen, darf zumindest bezweifelt werden.
Irritierend ist auch, dass die beiden Hauptwidersacher vor Ort, einerseits Haftar, andererseits der von der UNO anerkannte Regierungschef Fajis Al-Sarradsch zwar in Berlin anwesend waren, jedoch nicht im Verhandlungssaal sassen. Sie wurden von den übrigen Gipfelteilnehmern lediglich informiert und konsultiert. Direkt miteinander sprachen sie nicht – zu tief sind die Gräben.
Hört die Einmischung von aussen auf?
Die Beschlüsse von Berlin beinhalten vor allem zweierlei: Erstens das Bekenntnis, die bisher überaus wacklige Waffenruhe in einen verbindlichen und nachhaltigen Waffenstillstand zu überführen. Zweitens die Selbstverpflichtung sämtlicher Drittstaaten, das nie durchgesetzte UNO-Waffenembargo endlich zu respektieren.
Dieser Punkt ist entscheidend, wird doch der libysche Bürgerkrieg nicht zuletzt durch die ständige Einmischung von aussen befeuert. Immerhin waren nun mit Wladimir Putin, Recep Tayyip Erdogan, Emmanuel Macron und anderen die wichtigsten Vertreter der Länder mit Einfluss und Interessen in Libyen in Berlin dabei.
Wenn sie sich fortan nicht nur verbal ans Waffenembargo halten und aufhören, ihre jeweiligen Schützlinge im Konfliktland mit Geld, Waffen oder Kämpfern zu unterstützen, könnte die Einigung von Berlin tatsächlich etwas bewirken.
Gastgeberin Angela Merkel sprach von «Hoffnung und Frieden» für die Menschen in Libyen, schränkte aber sogleich ein: Natürlich habe man in Berlin nicht all die gewaltigen Probleme Libyens lösen, sondern lediglich einen positiven politischen Impuls gegeben können.
Angesprochen auf die Möglichkeit einer internationalen, nicht zuletzt europäischen Militärmission zur Überwachung des Waffenstillstandes, meinte UNO-Generalsekretär António Guterres nüchtern, man könne nichts überwachen, das noch gar nicht da sei.
Was ist die Einigung wert?
Was die Einigung von Berlin wert ist, dürfte sich in Bälde zeigen. Zunächst in New York, wo der UNO-Sicherheitsrat den Beschlüssen mit einer Resolution Rechtskraft verleihen muss. Dann vor allem in Libyen selber, wo sich in den nächsten Tagen zeigen wird, ob aus der löchrigen Waffenruhe ein stabiler Waffenstillstand wird. Und ob die in Berlin vertretenen Regierung nun tatsächlich darauf verzichten, in Libyen einen Stellvertreterkrieg zu führen.
Sie müssen zeigen, ob sie das Waffenembargo von nun an respektieren und ihre Schützenhilfe für die Kriegsparteien in Libyen einstellen. Dann, aber nur dann, würde aus dem kleinen Schritt von Berlin ein ziemlich grosser.