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Bolivien vor Neuwahlen Was Evo Morales zum Verhängnis wurde

Wer regiert in Bolivien? Die Frage stellt sich, nachdem Staatspräsident Evo Morales, sein Vize sowie die Nummer drei und vier in der Staatshierarchie zurückgetreten sind. Im Gefolge von breiten Protesten nach den letzten, offenbar zugunsten von Morales manipulierten Neuwahlen am 20. Oktober.

Damit ist die ganze Staatsspitze verwaist. Das Parlament muss nun einen Interims-Nachfolger finden. Die Ereignisse begannen sich am letzten Samstag zu überschlagen: Die Polizei begann in verschiedenen Landesteilen gegen die linke Morales-Regierung zu meutern.

Namentlich in der Oppositions-Hochburg Santa Cruz de la Sierra kam es auch zu heftigem Volksprotest gegen Morales. Dieser sagte, auch das Haus seiner Schwester sei von einem Mob in Brand gesteckt worden.

Die Bilanz von Morales' Amtszeit

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Positives und Negatives halten sich in etwa die Waage. Die Morales-Regierung hat viele soziale Verbesserungen auf den Weg gebracht. Die Wirtschaft ist stark gewachsen, die Beschäftigung hat zugenommen, die Armut konnte stark reduziert werden.

Auf der anderen Seite ist der 2006 gewählte Linke immer autoritärer aufgetreten. Die Medien waren am Gängelband und unter indirekter Kontrolle der Regierungspartei MAS, die Justiz und eben auch die Wahljustiz wurden direkt von der Regierungspartei kontrolliert.

Bolivien ist ein gespaltenes Land – das ist aber nicht nur Evo Morales zuzuschreiben. Die Trennung verläuft seit ewigen Zeiten zwischen Hoch- und Tiefland, zwischen indigener und weisser Bevölkerung.

Die Krise hat ihre Wurzeln im Jahr 2016. Damals verlor Evo Morales knapp ein Referendum, in dem es um seine Wiederwahl ging. Laut Verfassung hätte er nicht wieder für ein neues Mandat kandidieren dürfen, doch der Linke wollte von seinen Mitbürgern eine Ausnahmegenehmigung.

Das negative Ergebnis schlug er einfach in den Wind. Das Verfassungsgericht unter seinem Einfluss winkte die Kandidatur mit fadenscheinigen Argumenten durch. Am 20. Oktober stellte sich Morales erneut den Wählenden. Er kam auf keine Mehrheit mehr.

Laut OAS starke Hinweise auf Manipulation

Nach einer Schnellauswertung in der Wahlnacht zeichnete sich eine Stichwahl gegen Herausforderer Carlos Mesa ab. Doch dann wurde die Zählung für 24 Stunden gestoppt, ohne Gründe. Als sie wieder aufgenommen wurde, lag Morales mit mehr als zehn Prozent Vorsprung auf Mesa in Führung – was in Bolivien reicht, um als Sieger dazustehen.

Ab diesem Zeitpunkt sprach die unterlegene Opposition von Wahlbetrug und leitete Proteste ein. Zuletzt überprüften die unabhängigen Wahlbeobachter der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) die Auswertung. Sie anerkenne das offiziell präsentierte Wahlergebnis mit Morales als Sieger nicht, gab die OAS am Wochenende bekannt. Es gebe starke Hinweise auf eine Manipulation der Ergebnisse.

Evo Morales ist der erste Indigene, der Bolivien regiert hat. Ein Jahrzehnt lang konnte er dank hoher Rohstoffpreise und verstaatlichter Schlüsselindustrien aus dem Vollen schöpfen. Mit der Zeit aber gebärdete er sich immer autoritärer.

Ulrich Achermann

Südamerika-Korrespondent, SRF

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Ulrich Achermann ist seit 2003 SRF-Korrespondent und berichtet über alle Länder Südamerikas. Er lebt in Santiago de Chile.

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