Zum Inhalt springen

Coronavirus-Pandemie Medienfreiheit in Krisenzeiten in Gefahr

Es sind nicht allein autoritäre Regimes, die weltweit wegen der aktuellen Corona-Krise die Medienfreiheit einschränken.

In Krisenzeiten sind unabhängige und kritische Medien wichtiger den je. Gleichzeitig wird aber oft die Medienfreiheit eingeschränkt mit Verweis auf übergeordnete Ziele, etwa der nationale Zusammenhalt. Damit soll Regierungskritik unterbunden werden.

In der aktuellen Krise wegen des Coronavirus wollen Regierungen dreierlei: die Bevölkerung schützen, Panik vermeiden und den Kollaps der Wirtschaft verhindern.

Nur noch mit einer Stimme

Der nationale Zusammenhalt ist in einer solchen Situation wichtig. Das Rezept dafür lautet oft: Es spricht nur noch eine Stimme: die der Regierung.

Jegliche Kritik werde als lügnerisch, ja als staatsgefährdend erachtet, sagt dazu Barbara Trionfi. Sie ist Direktorin des International Press Institute (IPI), einer Organisation für die Medienfreiheit mit Sitz in Wien, der auch die SRG als Mitglied angehört.

Das IPI trug innerhalb weniger Wochen eine Fülle von Verletzungen der Freiheit der Medien zusammen. Sie reichen von China, wo wichtige Informationen unterdrückt wurden, bis zu moderateren Verstössen, auch in westlichen Ländern.

Gezielt gegen Journalisten

In Iran wurden Journalisten eingekerkert. Ägypten wies ausländische Journalisten aus. Auf den Philippinen mussten alle, die über das Coronavirus berichten, eine Genehmigung beantragen. Israel erlaubt die Überwachung auch von Medienschaffenden via deren Mobiltelefon.

In Ländern wie Malaysia, Thailand, Singapur, Indonesien oder Indien werden Journalistinnen von den Behörden öffentlich angegriffen und teils wegen Verbreitung angeblicher «Fake News» strafrechtlich verfolgt.

US-Präsident Donald Trump greift Medienleute verbal an, die seine Corona-Strategie hinterfragen. Österreich beschränkte den Zugang zu den Medienkonferenzen der Regierung auf die nationale Nachrichtenagentur APA und den öffentlich-rechtlichen ORF. Andere Journalisten dürfen zwar Fragen einreichen, doch nachfragen können sie nicht. Selbst in der Schweiz sicherte sich der Bundesrat das «Recht auf Antenne», indem er zurzeit stündlich auf Radio SRF eine Empfehlung verlesen lässt.

Für Barbara Trionfi sind das typische Regierungsmassnahmen in kritischen Situationen. Bis zu einem gewissen Grad seien sie legitim, obwohl es eine Einmischung in die Medienfreiheit darstelle. Im Krisenfall habe das gar eine öffentliche Akzeptanz. Doch das müsse am Ende der Krise aufhören und die Medien das Recht haben, Regierungsverlautbarungen wie jene in der Schweiz kritisch zu analysieren.

Kritik muss erlaubt bleiben

Viele Regierungen hätten in der Coronavirus-Krise Fehler begangen. Das müsse thematisiert werden – damit die Politik lerne. Deshalb seien professionell arbeitende Medien in Krisenzeiten nicht lästig, sondern erst recht unentbehrlich.

Besonders in Zeiten, da Lügen, Verschwörungstheorien und Falschnachrichten eine Hochblüte haben. Für Barbara Trionfi vom IPI sind zwei Dinge unverzichtbar:

Erstens der Zugang von Journalisten zu allen und zu allem: Zu Entscheidungsträgern und zur «medizinischen Front», etwa Spitälern. Darum müssten Journalisten Schutzmittel bekommen. Und zweitens sollte die journalistische Kritik in einer Krise nicht als Teil des Problems, sondern als Teil der Lösung wahrgenommen werden.

Wie fast immer in Kriegen oder bei der Terrorbekämpfung sehen das auch jetzt in der Corona-Krise viele Regimes – und keineswegs nur autoritäre – anders.

«Echo der Zeit», 18.03.2020; 18:00 Uhr

Meistgelesene Artikel