Zum Inhalt springen

18. Sanktionspaket EU nimmt den russischen Ölhandel ins Visier – die Hintergründe

Die EU verhängt neue Russland-Sanktionen – über das 18. Paket war wochenlang diskutiert worden, jetzt hat die Slowakei ihren Widerstand aufgegeben. Kernstück ist die Senkung des Ölpreisdeckels für russisches Öl. Aber auch die Liste der sanktionierten Schiffe der sogenannten russischen Schattenflotte wird erweitert. Was das bedeutet und was das bringt, erklärt Moritz Brake, Experte für maritime Sicherheit.

Moritz Brake

Personen-Box aufklappen Personen-Box zuklappen

Dr. Moritz Brake ist Experte für maritime Sicherheit und Gründer der Firma Nexmaris. Er forscht auch als Senior Fellow am CASSIS, einer Denkfabrik der Universität Bonn. Ausserdem ist Brake Reserveoffizier der Deutschen Marine.

SRF News: Was sagen Sie zur neuesten EU-Sanktionsliste gegen die russische Schattenflotte?

Moritz Brake: Die EU-Liste wird damit auf über 300 sanktionierte Schiffe erweitert. Insgesamt – wenn man alle EU-Partnerländer berücksichtigt – stehen jetzt weltweit über 700 Schiffe der russischen Schattenflotte auf der Liste. Und tatsächlich schliessen die neuen, verschärften Sanktionen viele Lücken. So haben diese Schiffe keinen Zugang zu europäischen Häfen mehr, es gibt Vermögens- und Transaktionssperren für die Personen hinter den Schiffen, ebenso wie Einreisesperren. Zudem werden die Sanktionen auf Drittstaaten ausgeweitet: Die Einfuhr von dort raffinierten Ölprodukten, die aus russischem Erdöl stammen, wird in die EU verboten.

Das 18. Sanktionspaket der EU gegen Russland

Box aufklappen Box zuklappen
Frachtschiff im Nebel auf See.
Legende: Reuters/Tobias Schlie

Nach wochenlangem Ringen mit der Slowakei hat sich die EU am Freitag auf ein 18. Sanktionspaket gegen Russland wegen des Überfalls auf die Ukraine verständigt. Damit sollten die Kosten für Russland weiter erhöht werden, bis der Regierung in Moskau als einziger Ausweg ein Ende der Aggression bleibe, hiess es von der EU. Das Sanktionspaket war wochenlang blockiert, weil sich der slowakische Premier Robert Fico dagegenstellte. Für seine Zustimmung verlangte er, dass sein Land über 2027 hinaus Gas und Öl aus Russland importieren darf.

Ermöglicht wurde die Einigung nun durch Zugeständnisse an Fico. So bekam die Slowakei zugesichert, dass sie keine schwerwiegenden wirtschaftlichen und finanziellen Konsequenzen fürchten muss, wenn nach dem neuen Sanktionspaket auch noch ein Plan für einen kompletten Importstopp von russischem Gas umgesetzt wird. Dieser ist bereits beschlossen und sieht vor, dass die EU-Länder ab 2028 keine Erdöl- und Erdgasprodukte mehr aus Russland importieren.

Konkret sollen die neuen Sanktionen insbesondere die russischen Einkünfte aus dem Export von Öl in Drittstaaten weiter reduzieren und den russischen Finanzsektor treffen. Zudem haben sie zum Ziel, eine denkbare Wiederinbetriebnahme der Gaspipeline Nord Stream 1 und eine Nutzung der Pipeline Nord Stream 2 auszuschliessen. Man treffe mit dem 18. Sanktionspaket den Kern der russischen Kriegsmaschinerie, erklärte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. (sda)

Werden damit alle Schlupflöcher gestopft?

Die neuen Sanktionen gegen die russische Schattenflotte sind auf jeden Fall effektiv. Schon die bisherigen Sanktionen haben gewirkt, das ist klar erkennbar am Zustand der russischen Wirtschaft. Und nun wird mit der Ausweitung auf Drittstaaten genau hingeschaut, welche Erdölprodukte in die EU gelangen, woher sie stammen und aus welchem Rohöl sie hergestellt wurden.

Demonstrative Gelassenheit im Kreml

Box aufklappen Box zuklappen

Der Kreml reagiert gelassen auf das neue Sanktionspaket der EU. Man habe gegen Sanktionen des Westens eine gewisse Immunität aufgebaut, sagte Putins Sprecher Dmitri Peskow. Er bezeichnete die Sanktionen einmal mehr als «illegal» und wiederholte die Warnung, dass jede neue Einschränkung negative Konsequenzen für die Länder erzeuge, die die Strafmassnahmen unterstützten. (reuters)

Können die russischen Schattenflotten-Schiffe überhaupt noch Rohöl exportieren?

Es besteht immer das Risiko, dass es Russland gelingt, Öl unter falscher Kennung in den europäischen Markt zu bringen. Doch die hiesigen Behörden sind normalerweise sehr gut darin, solches aufzudecken. In den letzten Jahren gab es aber Länder, die Sanktionen gegen Russland nicht mittrugen und russisches Öl importierten – wie die Türkei oder Indien.

Für Indien etwa könnten bis zu 30 Prozent der Einnahmen aus dem Geschäft mit russischem Öl wegbrechen.

Daraus raffinierten diese Länder Erdölprodukte, die wiederum in die EU gelangten. Damit wurden Milliarden Dollar verdient. Mit den neuen Sanktionen wird sich nun zeigen, ob sie einen völligen Handelsstopp bedeuten oder ob sie bloss die Preise reduzieren, die mit diesem Geschäft erzielt werden. Für Indien etwa könnten bis zu 30 Prozent der Einnahmen aus diesem Ölgeschäft wegbrechen.

Werden die Meere zunehmend zur internationalen Kampfzone?

Weil wir in Europa sehr Land-fokussiert denken, ist uns nicht bewusst, was sich auf den Weltmeeren abspielt – oder im Cyberraum oder im Weltraum. In all diesen Bereichen werden schon längst scharfe Massnahmen gegen den Westen und gegen Europa getroffen, die Milliardenschäden verursachen.

Europa muss sehr wachsam sein und anerkennen, dass ihm geopolitische Rivalen massiv ans Leder wollen.

Seit Beginn des Grossangriffs Russlands auf die Ukraine hat sich diese hybride Kriegführung massiv intensiviert. Im Fokus stehen Datenkabel, Offshore-Windkraftanlagen oder Meerespipelines in Europa. Wir müssen in diesen Bereichen sehr wachsam sein und anerkennen, dass uns geopolitische Rivalen massiv ans Leder wollen. Und dagegen müssen wir nicht nur wachsam sein, sondern auch wehrhaft.

Das Gespräch führte Radka Laubacher.

Rendez-vous, 18.7.2025, 12:30 Uhr ; 

Meistgelesene Artikel