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Das Coronavirus im Libyenkrieg «Die Lage in Tripolis wird von Tag zu Tag verzweifelter»

Unter dem unheilvollen Zusammentreffen der Coronakrise und dem Bürgerkrieg in Libyen leiden Millionen Menschen.

In Libyen hat sich die Gewalt des Bürgerkriegs mit der Gefährdung der Menschen durch das Coronavirus vermischt. Das einzige Spital in Tripolis und dem westlichen Teil Libyens, das Corona-Patienten behandeln konnte, wurde bombardiert. Was das für die Bevölkerung bedeutet, beschreibt Beat Stauffer.

Beat Stauffer

freier Journalist, Buchautor

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Beat Stauffer berichtet als freischaffender Journalist für verschiedene Medien aus Nordafrika. Er ist auch als Buchautor, Kursleiter und Referent tätig.

SRF News: Wie ist die Lage in der Hauptstadt Libyens zurzeit?

Beat Stauffer: In den letzten Tagen hat sich die Lage zugespitzt. Die Wasser- und die Stromversorgung im Grossraum Tripolis sind weitgehend zusammengebrochen. Das grösste Spital der Hauptstadt ist beschossen worden.

Es ist schlicht nicht denkbar, dass die Milizen, welche die international anerkannte Regierung in Tripolis von Tamil Saras unterstützen und verteidigen, die Stadt in solchem Ausmass schädigen könnten.

Gleichzeitig sind auch Wohnquartiere in Tripolis unter Dauerbeschuss gestanden.

Wer steckt hinter diesen Angriffen?

Es besteht kein Zweifel, dass sie von General Chalifa Haftars sogenannter Volksarmee oder von mit ihm verbündeten Milizen ausgeführt wurden. Es ist schlicht nicht denkbar, dass die Milizen, welche die international anerkannte Regierung in Tripolis von Tamil Saras unterstützen und verteidigen, die Stadt in solchem Ausmass schädigen könnten. Allerdings schieben sich die Kriegsparteien die Verantwortung für dieses Desaster offiziell gegenseitig zu.

Warum ist die Situation jetzt eskaliert?

Haftars Offensive hat vor einem Jahr begonnen. Der General hat damals den Mund sehr voll genommen. Doch Haftar und seine Truppen konnten Tripolis nicht erobern. Auf beiden Seiten sind nun Ermüdungserscheinungen zu beobachten.

Die Truppen von General Haftar kämpfen gegen die international anerkannte Regierung.
Legende: Die Truppen von General Haftar kämpfen gegen die international anerkannte Regierung. Reuters

Allerdings ist Haftar nun im Nachteil, weil seine Truppen weit weg sind von zu Hause, während dem die Milizionäre, die Tripolis verteidigen, bei ihren Familien leben können. Dazu kommt, dass Haftar viele Milizionäre aus Tschad, aus Sudan und anderen Ländern unter Sold genommen hat, und die kämpfen weniger überzeugt als die Milizionäre von Tripolis und Misrata, die ihre Stadt verteidigen.

Es gibt Indizien, dass General Haftar zu wenig Geld hat, um seine Milizionäre bezahlen zu können.

Der entscheidende Punkt ist wahrscheinlich, dass die Türkei die westlibysche Seite vor ein paar Wochen massiv mit Waffen unterstützt hat. Offenbar wurde so das Gleichgewicht zugunsten der international anerkannten Regierung verschoben.

General Haftar steht quasi mit dem Rücken zur Wand. Gibt es weitere Argumente, die diese These stützen?

Ja, es gibt Indizien, dass General Haftar zu wenig Geld hat, um seine Milizionäre bezahlen zu können. Es gibt auch Anzeichen, dass Ägypten seine Unterstützung stark reduziert hat, weil es viele Probleme im eigenen Land hat, etwa mit dem Ausbruch der Pandemie.

Beobachter vermuten weiter, dass die Truppen von Haftar viel stärker vom Coronavirus befallen seien als die Milizionäre im Westen. Das ist natürlich ein Staatsgeheimnis. Die offiziell publizierten Zahlen – sowohl im Westen Libyens wie auch im Osten – geben darüber keinen zuverlässigen Aufschluss.

Gleichzeitig ist auch die Zivilbevölkerung vom Coronavirus betroffen. Was bedeuten diese Umstände für die Bevölkerung?

Sie bedeuten, dass die Corona-Fälle nicht oder nur sehr schwierig behandelt werden können. Für die Hauptstadt und die Agglomeration Tripolis mit ihren 1,5 bis 2 Millionen Einwohnern heisst es generell, dass die Versorgungslage prekär geworden ist.

Dazu kommen noch ungefähr 150’000 intern Vertriebene aus allen Regionen Libyens und Hunderttausende von Flüchtlingen, Migranten, Gastarbeitern oder wie immer man diese Menschen bezeichnen will. Die Lage in Tripolis wird von Tag zu Tag schwieriger und verzweifelter.

Das Gespräch führte Simone Hulliger.

Echo der Zeit vom 08.04.2020 ; 

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