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Demonstrationen in Nigeria Berichte über Tote bei Protesten gegen Polizeigewalt in Lagos

  • In der nigerianischen Grossstadt Lagos gab es bei einem Polizeieinsatz gegen Proteste zahlreiche Tote und Verletzte, berichtet die Menschenrechtsorganisation Amnesty International.
  • Der Gouverneur von Lagos sagte dagegen, es habe keine Toten gegeben.
  • Seit knapp zwei Wochen protestieren die Menschen in Nigeria gegen exzessive Polizeigewalt und bekommen dabei Unterstützung aus dem Ausland.

«Amnesty International hat glaubwürdige, aber verstörende Hinweise auf exzessive Gewaltanwendung erhalten, die zum Tode von Demonstranten an der Lekki-Mautstelle in Lagos führten», schrieb die Menschenrechtsorganisation auf Twitter. Sie erinnerte die Behörden daran, dass tödliche Gewaltanwendung der Sicherheitsbehörden nur in wenigen Extremfällen erlaubt sei.

Die Provinzregierung bestätigte Hinweise auf eine Schiesserei und kündigte eine Untersuchung der Vorgänge an. Es habe allerdings keine Toten gegeben, sagte der Gouverneur von Lagos. Die Behörden hatten am Dienstag eine 24-stündige Ausgangssperre in der grössten Stadt des westafrikanischen Staates und deren Umland verhängt. Die Proteste dauerten am Mittwoch dennoch an – die Lage blieb aber unübersichtlich.

Nach bisherigen Erkenntnissen hatten sich Demonstranten an einer seit Tagen besetzten Mautstelle geweigert, sie zu verlassen und die Sperrstunde einzuhalten. «Es gab Berichte über Schüsse», berichtete ein Sprecher des gleichnamigen Bundesstaates. In den sozialen Medien gab es zudem Berichte, dass die Polizei das Feuer auf die Menge eröffnet habe.

Proteste gegen Elite-Einheit

Ausgelöst worden waren die Proteste durch ein Video, das einen Beamten der mittlerweile aufgelösten Eliteeinheit Special Anti-Robbery Squad (SARS) beim Töten eines jungen Mannes zeigte und in den sozialen Medien die Runde machte. Unter dem Hashtag #EndSARS verbreiteten sich die Proteste schnell international und führten auch im Ausland zu Protestkundgebungen. Inzwischen fordern die Demonstranten weitreichende Polizeireformen in ihrem Land.

Die ehemalige US-Aussenministerin Hilary Clinton und der frühere US-Vizepräsident Joe Biden äusserten sich besorgt und riefen ebenso wie UN-Generalsekretär António Guterres zu einem Ende der Gewalt gegen die Demonstranten auf. Präsident Muhamed Buhari rief zur Ruhe auf und stellte weitere Reformen bei der Polizei in Aussicht.

Proteste dauern seit zwei Wochen

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Bei den seit gut zwei Wochen andauernden friedlichen Protesten in Nigeria sei es ursprünglich um die Abschaffung der berüchtigten Polizeieinheit SARS gegangen, sagt SRF-Afrikakorrespondentin Anna Lemmenmeier. In der Folge habe die Regierung die Einheit tatsächlich aufgelöst, doch die Proteste gingen weiter. «Es wurden weitere Missstände in der Polizei angeprangert sowie die weit verbreitete Korruption oder die riesige Ungleichheit im Land.» Tausende Demonstrierende – vor allem junge Menschen – seien in allen grossen Städten Nigerias auf die Strasse gegangen. «Sie sind sehr gut organisiert, unter ihnen sind auch viele junge Frauen», sagt Lemmenmeier. Vor allem auf den sozialen Medien waren die Protestierenden sehr präsent. «Entsprechend wurden die Proteste auch international wahrgenommen.»

SRF 4 News, 21.10.2020, 9 Uhr ; 

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