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Der Weg zum Erfolgsmodell Für viele Briten ist klar: «Boris ist unser Mann!»

Die Pensionärin Jacky Perry erhält ihre zweite Impfung – in der Kathedrale im englischen Lichfield. Wie viele andere Kirchen im Land ist sie zu einem Impfzentrum umgewandelt worden, und rund die Hälfte aller Briten hat bereits eine Impfdosis erhalten. «Ich bin froh, dass ich die zweite Impfung habe», sagt Perry. «Ich bin stolz, Britin zu sein.»

Auch im Stadtzentrum von Lichfield ist das Leben zurückgekehrt. Seit einer Woche sind alle Läden und die Terrassen der Pubs wieder offen. Der Öffnungsfahrplan der Regierung ist zwar langsam und vorsichtig, aber verlässlich und wurde seit der Ankündigung im Februar nicht mehr umgestellt.

In der Hauptgasse ist auch Metzger Kerry Evans voll des Lobes: «Das haben wir Boris Johnson und der Regierung zu verdanken. Boris ist unser Mann.» Mit dieser Meinung ist Evans nicht alleine, die Umfragewerte von Johnson steigen seit einigen Monaten stetig.

Eine leicht steigende Kurve der Zustimmung für Boris Johnson
Legende: Die Umfragewerte von Premierminister Boris Johnson, erfasst von YouGov, einem internationalen Datenforschungs- und Analyse-Unternehmen. yougov

Das lässt die Opposition trotz ihres hervorragenden Parteichefs Keir Starmer chancenlos zurück. Die Zustimmungswerte für die Labour Partei sinken seit Monaten unaufhörlich.

Neues Selbstvertrauen

Der Impferfolg sorgt für ein allgemeines Glücksgefühl und neues Selbstvertrauen. Und sogar die Einstellung zum Brexit ändert sich. Laut einer Umfrage sind 62 Prozent der Britinnen und Briten überzeugt, das Impfprogramm sei erfolgreicher dank des Brexits.

Auch in Lichfield findet sich rasch jemand, der diese Meinung teilt, etwa Melinda Hatcher: «Ich bin eigentlich pro-europäisch. Aber wenn es um die Impfungen geht, glaube ich, Brexit hat uns geholfen, denn die EU ist einfach zu langsam.»

Eigene bedeutende Pharmabranche

Dabei ist der britische Erfolg kaum dem Austritt aus der EU zu verdanken, sondern viel mehr dem Zusammenspiel einiger britischer Stärken. Grossbritannien hat mit Oxford und Cambridge zwei der besten Universitäten weltweit und dazu eine bedeutende Pharmabranche.

Eines der Produkte daraus ist der Impfstoff von Astra-Zeneca. Darüber hinaus kam das Expertenwissen aus diesen Bereichen der Taskforce der Regierung zugute. Wichtige Entscheide wurden rasch getroffen, etwa die Bestellung grosser Impfmengen oder die Finanzierung für die Entwicklung und Herstellung des Impfstoffs von Astra-Zeneca. Das sind alles Entscheidungen, die die Briten auch noch als Mitglied der EU hätten vorantreiben können.

Erfolg für das Nationale Gesundheitssystem

Vorbildlich ist auch die Logistik bei der Verabreichung des Impfstoffes. Dies ist dem Nationalen Gesundheitssystem (NHS) zu verdanken. Chronisch unterfinanziert und als bürokratischer Moloch beschimpft, konnte das NHS jetzt seine Stärke ausspielen. Es verfügt über eine Datenbank, in der fast die gesamte Bevölkerung mit einer NHS-Nummer gespeichert ist. Ein enormer Vorteil für die Planung, die Distribution und die Kommunikation.

Plakat mit Wegweiser zu einem Impfzentrum des NHS
Legende: Das zentralistische Nationale Gesundheitssystem (NHS) kann in der Impfkampagne nun seine Stärken ausspielen. Keystone

Die NHS geniesst darüber hinaus ein sehr grosses Vertrauen bei der Bevölkerung, was auch die hohe Zustimmung für die Impfung erklärt.

Zurück in der Kathedrale von Lichfield erklärt der soeben geimpfte Barry Wilkinson: «Wir wissen einfach, der Einzelne ist erst geschützt, wenn wir alle geschützt sind.» Experten sprechen von einem Gemeinsinn, wie er zuletzt im Zweiten Weltkrieg heraufbeschworen wurde.

Dieser Gemeinsinn lässt für den Moment auch andere Herausforderungen im Land in den Hintergrund treten, etwa die Unruhen in Nordirland, die wirtschaftlichen Einbussen durch Brexit oder der Wunsch der Schotten nach Unabhängigkeit. Alles Probleme, die sonst direkt der Regierung von Boris Johnson angehängt werden würden.

Tagesschau, 18.04.2021, 19:30 Uhr

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