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Desaster in der Lombardei Massenhaft Tote in Altersheimen – Nun ermittelt der Staatsanwalt

Die Berichte häufen sich: völlig verzweifelte Pflegekräfte, die ganz allein auf einer Etage Dutzende von Seniorinnen und Senioren beaufsichtigen müssen: Patienten, die alle im Sterben liegen.

«Am Ende dieser Epidemie wird niemand von uns mehr so sein wie früher. Das schafft Wunden, die so schnell nicht zu heilen sind.» So wird eine Krankenpflegerin des «Pio Albergo Trivulzio» zitiert, eines der grössten Altersheime in Mailand mit 1.200 Betten. Nur dort sind seit März über 150 Bewohner an Covid- 19 verstorben, 220 Ärzte und Pflegekräfte haben sich mit dem Corona-Virus infiziert.

Nachlässigkeit und Fehlentscheidungen

Die Staatsanwaltschaft ermittelt. Denn in ganz Italien konnten, so offizielle Schätzungen, über 3000 Bewohnerinnen und Bewohner von Altersheimen den Virus nicht überleben.

Auch wegen Nachlässigkeit und Fehlentscheidungen der Gesundheitsbehörden? So beschliesst am 8. März – mitten im Höhepunkt der Epidemie – die Regionalregierung der Lombardei, Patienten mit leichten Symptomen in private Altersheime zu verlegen – für 150 Euro pro Bett pro Tag. Corona-Tests aber werden keine gemacht. Die Heime entwickeln sich zu einem tückischen Ansteckungsherd.

Luca Fusco hat so seinen Vater verloren. Der wird zuerst in die Nothilfe von Alzano Lombardo bei Bergamo eingeliefert: Verdacht auf Schlaganfall. Das Spital ist völlig überlastet. Wie sich später herausstellt, zirkuliert dort das Corona-Virus völlig ungehindert. Eine Sperrzone wie andernorts in der Lombardei wurde nie eingerichtet.

Russische Soldaten desinfizieren Altersheim in Covo (Bergamo).
Legende: Russische Soldaten desinfizieren Altersheim in Covo (Bergamo). Keystone

Einsame Tode

Nach Stunden des Wartens wird der Patient zwar nicht in ein Altersheim überstellt – dafür aber in eine private Reha-Klinik. Diese wird Tage später unter Quarantäne gestellt. Es gilt Besuchsverbot – auch für die Familie von Luca Fusco. Zwei Wochen später erfährt der Sohn vom Tod des Vaters: keine Angaben, wohin der Leichnam gebracht wird, wann die Urne mit den sterblichen Überresten überstellt wird.

Luca Fusco startet einen Appel und Tausende mit einem ähnlichen Schicksal schliessen sich an: «Noi denunceremo» («Wir zeigen an») – so heisst die Gruppe von Angehörigen verstorbener Corona-Opfer, die jetzt als zivile Nebenkläger auftreten will.

Sammeln von Hinweisen

Denn das juristische Nachspiel hat begonnen – gegen die Verantwortlichen in Gesundheitsbehörden und Politik. Auch Paola Ferrari sammelt Tausende von Hinweise. Die Juristin für Arbeits- und medizinisches Recht vertritt Ärzte- und Pflegepersonal, das in der Anfangszeit völlig ungeschützt und unvorbereitet mit Corona-Infizierten in Kontakt stand.

«Warum wurden die Sicherheitsbestimmungen nicht eingehalten, Arbeitsbedingungen nicht angepasst?! Dabei gibt es seit 2009 in der Lombardei einen neuen Pandemie-Plan. Anscheinend aber hat keiner der Verantwortlichen diesen gelesen. Covid-19-Patienten in Altersheime und andere private Pflegeeinrichtungen verlegen war ein unverzeihlicher Fehler.»

Denn nicht nur immer mehr haben sich so tödlich angesteckt – auch jene, die eigentlich pflegen und heilen sollten. Denn über 120 Corona-Opfer verzeichnet auch das Ärzte- und Pflegepersonal und viele kämpfen weiterhin mit dem Virus.

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