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Deutsches Engagement in Syrien «Kramp-Karrenbauers Vorgehen ist absolut tölpelhaft»

Deutschlands Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer fordert eine internationale Sicherheitszone in Nordsyrien – in dem Gebiet, in dem türkische Truppen gegen Kurden vorgehen. Diese Zone soll von der Nato, Russland und der Türkei gemeinsam kontrolliert werden. CSU und SPD fühlen sich von dem Vorstoss überrumpelt. Zu Recht, findet Journalist Nico Fried.

Nico Fried

Berlin-Korrespondent der SZ

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Nico Fried leitet seit 2007 das Parlamentsbüro der «Süddeutschen Zeitung» in Berlin. Er lebt seit 1996 in der Hauptstadt Deutschlands.

SRF News: In Syrien herrscht Krieg. Deutschland hat sich bisher herauszuhalten versucht. Warum nun Kramp-Karrenbauers Initiative?

Nico Fried: Die eine Motivation ist, dass man in Deutschland schon länger darüber debattiert, ob man sich international stärker engagieren müsste und mehr Verantwortung übernehmen sollte. Das greift Frau Kramp-Karrenbauer auf. Das andere ist, fürchte ich, ein innenpolitisches Motiv. Man darf nicht vergessen, dass Frau Kramp-Karrenbauer ein verheerendes Jahr als CDU-Parteivorsitzende hinter sich hat und jetzt offenbar die Möglichkeit sieht, sich als Bundesverteidigungsministerin zu profilieren. Nun macht sie einen sehr forschen Vorschlag, der mit dem Koalitionspartner nicht abgestimmt ist. Das ist einerseits couragiert, andererseits ist ihr Vorgehen absolut tölpelhaft.

Wollen Sie damit sagen, eine solche Ankündigung hätte eigentlich von Bundeskanzlerin Angela Merkel kommen sollen?

Von der grundsätzlichen Ausrichtung des Vorstosses her wäre dies Sache der Bundeskanzlerin gewesen. Man muss einerseits mit Russland kooperieren. Man muss aber auch mit dem syrischen Diktator Baschar al-Assad kooperieren, da die Sicherheitszone auf seinem Territorium eingerichtet werden soll. Ich hätte erwartet, dass Merkel die Deutschen darauf einstellt.

Wenn man sich Feinde schaffen will, muss man es genauso machen.

Tölpelhaft war das Vorgehen aber auch, weil noch am Sonntagabend der Koalitionsausschuss mit Vertretern von SPD, CDU und CSU zusammensass und dieser Vorstoss nach Darstellung mehrerer Teilnehmer überhaupt keine Rolle gespielt hat. Kramp-Karrenbauer hat den Aussenminister per SMS darüber informiert. Der SPD-Fraktionsvorsitzende hatte keine Ahnung. Wenn man sich Feinde schaffen will und der SPD einen Vorwand liefern möchte, aus der Koalition auszusteigen, dann muss man es genauso machen.

Würde der Vorschlag, der auf dem Tisch liegt, auch bedeuten, dass deutsche Bundeswehrsoldaten nach Syrien ausrücken müssten?

Ja. Das hat es in der Geschichte noch nie gegeben, dass die Bundesrepublik eine Militärmission von sich aus vorschlägt und initiiert. Und natürlich wäre das zwingend damit verbunden, dass sich die Bundeswehr beteiligen würde. Denn es geht Frau Kramp-Karrenbauer ja gerade darum, das Dasein Deutschlands als Zaungast, der gute Ratschläge gibt, aber den anderen die Verantwortung überlässt, zu beenden. Nur wenn man das macht, kann man natürlich schlecht sagen: Ich mache zwar jetzt tolle Initiativen, aber die Bundeswehr bringe ich nicht mit ein. Das ist eine logische Konsequenz.

Bereits in zwei Tagen will die Verteidigungsministerin ihren Vorschlag den Nato-Verteidigungsministern unterbreiten. Wie stehen die Chancen?

Die Frage ist, ob sie überhaupt Unterstützung bei der Nato bekommt. Denn dieser Vorschlag ist damit verbunden, Truppen zu mobilisieren. Das heisst, andere europäische Staaten und eventuell auch die USA müssten bereit sein, mitzumachen. Wenn es zu viel Widerstand gibt, ist die Initiative in zwei Tagen schon am Ende. Das würde ihr natürlich auch innenpolitisch schaden. In den nächsten Stunden und Tagen muss sie erst einmal die SPD beschwichtigen.

Das Gespräch führte Brigitte Kramer.

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