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International Die «GroKo» nimmt Fahrt auf

Angela Merkel hat in Berlin ihre Regierungserklärung abgegeben. Aber genügt allein die Mehrheit der Grossen Koalition («GroKo») im Deutschen Bundestag für die anstehende Regierungsarbeit? Eine Einschätzung nach einem Monat Kabinett Merkel III.

Vizekanzler Sigmar Gabriel und Kanzlerin Angela Merkel setzen sich an einen Verhandlungstisch.
Legende: Wer hat die Dossiers im Griff und wer rückt an den Stühlen im Bundeskanzleramt? Reuters

Bei der deutschen Bundestagswahl im September 2013 verfehlten CDU und CSU knapp die absolute Mehrheit. Dazu kam, dass im Parlament der bisherige Koalitionspartner FDP erstmals seit 1949 nicht mehr vertreten war und die Grünen nicht ins Regierungsboot wollten.

Nach dreimonatigen Verhandlungen mit der SPD übernahm am 17. Dezember 2013 eine Grosse Koalition zwischen CDU/CSU und SPD die Regierungsgeschäfte. Die «GroKo» wurde prompt auch noch das deutsche «Wort des Jahres» 2013.

Mäkeln am Koalitionsvertrag

Für Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ist damit in ihrer dritten Amtsperiode (Kabinett Merkel III) eigentlich alles paletti: Eine satte Mehrheit im Parlament und ein Koalitionsvertrag, der die wichtigsten politischen Themen vorspurt und die Regierung auf Kurs hält.

Trotzdem schrieb die «Welt» Anfang Januar, dass sich der «Koalitionsvertrag als Anleitung für den Dauerstreit» erweise. Die «Süddeutsche Zeitung» titelte mit «Manifest des Schwindels» und der «Spiegel» sprach von einem «verfrühten Jubel» beim unterzeichneten Koalitionsvertrag. Im Januar veröffentlichte die «Bild am Sonntag» eine EMNID-Umfrage, wonach 46 Prozent der Deutschen glauben, dass die neue Regierung einen Fehlstart hingelegt habe und die Streitereien in der Regierung weitergingen.

Steht die Grosse Koalition somit schon vor einer Krise? In seiner Einschätzung relativiert SRF-Deutschland-Korrespondent Stefan Reinhart diese kritische Darstellung:

Video
Einschätzungen von SRF-Korrespondent Stefan Reinhart
Aus Tagesschau vom 29.01.2014.
abspielen. Laufzeit 3 Minuten 12 Sekunden.

«Kontroversen gibt es schon noch. Aber Tatsache ist auch, dass fast 80 Prozent der Parlamentarier/innen im Bundestag einer Regierungspartei angehören. Die Grünen und die Links-Partei bilden nur eine Mini-Opposition. Zudem sind die Regierungsparteien CDU/CSU und SPD derzeit sehr darauf bedacht, einig daherzukommen. Vor allem der Kanzlerin Merkel sitzt der Beginn der vergangenen Legislaturperiode gemeinsam mit der FDP noch sehr in den Knochen.»

Für Reinhart ist aber auch klar, dass das Regierungsprogramm noch Konfliktpotenzial hat und bei vielen Vorlagen noch strittige Punkte bestehen. «Zum Beispiel bei der Finanzierung der Renten: CDU-Finanzminister Wolfgang Schäuble will sparen, die SPD dagegen grosszügige Renten-Regelungen umsetzen.»

Dabei gleich von einem Fehlstart zu sprechen, findet Reinhart allerdings ein bisschen übertrieben. «Die öffentliche Meinung ist dann immer schnell gemacht. Völlig klar ist aber, dass man sich in einer Grossen Koalition zusammenraufen muss. Und der Start der neuen Regierung ist meiner Meinung nach nicht so schlecht gelungen.»

Auf Kurs, trotz umstrittener Themen

Die wichtigsten politischen Themen der neuen Regierung sind zwar konfliktträchtig, aber in der Einschätzung von Stefan Reinhart ist man sich über die Stossrichtung innerhalb der Koalition einig. So etwa bei der Mütterrente, die für Kindererziehungszeit ausgerichtet wird und pro Jahr 6,6 Milliarden Euro kosten wird.

Auch ein bundesweiter Mindestlohn in Höhe von 8,50 Euro pro Stunde wird 2015 kommen. Hier feilscht man noch um die Ausnahmen und Übergangsfristen.

Tatsächlich grössere Herausforderungen bringen die Pkw-Maut, die Energiewende oder auch die Verteidigung.

Einschätzung: Knackpunkte in der Regierungkoalition

Wo und warum könnte es aber bei wichtigen politischen Projekten dennoch knirschen im Koalitions-Gebälk? Die Fragen an SRF-Deutschland-Korrespondent Stefan Reinhart:

Wie gross ist das Risiko, mit der kleinen Opposition im Bundestag in Widerspruch zu geraten?

Reinhart: In dieser Legislaturperiode ist die Bedeutung der Opposition wirklich marginal. Grüne und Linke können derzeit zum Beispiel keinen parlamentarischen Untersuchungs-Ausschuss beantragen. Laut Grundgesetz braucht es dazu 25 Prozent der Abgeordneten – Grüne und Linke kommen aber nur auf weniger als 20 Prozent. Insofern kann die Opposition nur darauf hoffen, dass sich die grosse Koalition selber zerlegt.

Wie belastbar ist die Beziehung zwischen der Bundeskanzlerin und dem Vizekanzler Gabriel, der seine Rolle als Stellvertreter deutlich einzunehmen versteht?

Derzeit lässt Merkel Vizekanzler Gabriel noch gewähren. Die Kanzlerin ist an einem zu schwachen Gabriel nicht interessiert, weil das ja hiesse, dass die innerparteilichen Probleme der SPD gross sind. Aber sicher wird sich dieses Verhältnis zuspitzen, spätestens in zwei Jahren, wenn es in Richtung Wahlkampf geht – da wird sich die SPD wieder profilieren müssen. Gabriel wird alles dafür tun, die SPD nicht schwach aussehen zu lassen. Da ist die Partei nach der letzten grossen Koalition 2005 bis 2009 stark traumatisiert.

Wie tragfähig ist in der Grossen Koalition die Beziehung der CDU mit der bayerischen CSU, sprich mit Horst Seehofer?

Da gibt es – und wird es immer geben – Zwischenrufe und Störmanöver aus Bayern. Aber ich denke, die Grundlinien der beiden Parteien laufen nicht auseinander. Schliesslich ist die Kanzlerin ja oft froh, dass Seehofer Dinge sagt, die sie aus Rücksicht auf die eigene Partei und das eigene Amt nicht sagen kann – ein bisschen nach dem System «guter Cop, böser Cop».

Gibt es schon «Abweichler» in der noch jungen Grossen Koalition?

Derzeit halten sich die meisten noch zurück, aber das hängt auch damit zusammen, dass die neue Regierung erst im Entstehen ist. Alle Seiten waren in den letzten Wochen sehr mit sich selber, mit eigenen Positionen, beschäftigt.

Welche «entscheidende» Rolle spielt parteipolitisch der (deutsche) Bundesrat?

Für die SPD ist die Mitwirkung der Ländervertreter im Bundesrat (Länderkammer) ein wichtiges Machtinstrument. Auch die Kanzlerin weiss, dass sie darauf ein Auge haben muss. Es bringt nichts, die SPD nur im Bundestag rumzukriegen, weil ja viele Gesetze auch noch durch den Bundesrat müssen.

Die Deutsche Bundesregierung vom 17. Dezember 2013

Tabelle mit den Namen der Amtsinhaber/innen, dem Ressort oder Amt und der Parteizugehörigkeit.
Ressort / AmtAmtsinhaber/inPartei
BundeskanzlerinAngela MerkelCDU
Wirtschaft und Energie und Stellvertreter der BundeskanzlerinSigmar GabrielSPD
Auswärtiges AmtFrank-Walter SteinmeierSPD
InneresThomas de MaizièreCDU
Justiz und VerbraucherschutzHeiko MaasSPD
FinanzenWolfgang SchäubleCDU
Arbeit und SozialesAndrea NahlesSPD
Ernährung und LandwirtschaftHans-Peter FriedrichCSU
VerteidigungUrsula von der LeyenCDU
Familie, Senioren, Frauen und JugendManuela SchwesigSPD
GesundheitHermann GröheCDU
Verkehr und digitale InfrastrukturAlexander DobrindtCSU
Umwelt, Naturschutz, Bau und ReaktorsicherheitBarbara HendricksSPD
Bildung und ForschungJohanna WankaCDU
Wirtschaftliche Zusammenarbeit und EntwicklungGerd MüllerCSU
Bundesminister für besondere Aufgaben und Chef des BundeskanzleramtesPeter AltmaierCDU

Stefan Reinhart

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Stefan Reinhart

Stefan Reinhart berichtet seit 2009 als SRF-Korrespondent aus Deutschland. Zuvor arbeitete er schon als Redaktor bei «Puls», Produzent, Reporter und Sonderkorrespondent bei der «Tagesschau».

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