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Die Kunstjagd Das #kunstjagd-Finale

Die #Kunstjagd, in dem das Rechercheteam von «Follow the Money» (FtM) versucht, ein im Dritten Reich verschollenes Gemälde einer jüdischen Familie aufzuspüren, geht in die sechste und damit letzte Woche. Hier berichten wir von den Stationen und Fortschritten der Recherche in der letzten Woche.

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«Die #kunstjagd - Episode 6»
aus Audio Aktuell SRF 4 News vom 25.06.2015.
abspielen. Laufzeit 6 Minuten 43 Sekunden.

Von der Schweiz führt die #kunstjagd wieder nach Deutschland. Die langwierige Suche in noch einem Aktenkarton, auf noch einer Mikrofiche-Rolle, in noch einem Telefonbuch hat sehr wenige Ergebnisse gebracht. Eigentlich war uns das vorher klar, wir wussten ja, wie lange die Geschehnisse zurückliegen. Aber es zermürbt schon, sich immer wieder neu zu motivieren, neu nachzuschlagen und neu nachzufragen, und doch nur bei den immer gleichen Antworten zu landen: Kenne ich nicht. Weiss ich nicht mehr. Da gibt es keine weiteren Unterlagen dazu.

Ist das die «heisse» Spur?

Am Ende sind uns eigentlich zur wenige einigermassen hoffnungsvolle Spuren geblieben. «Heiss» nennen wir sowas schon länger nicht mehr. Zum einen gibt es noch die drei Bilder Otto Th. W. Steins, die Edward Engelberg von unserem Fahndungsplakat als mögliche Kandidaten für das verschollene Gemälde ausgewählt hatte.

Eines davon hatten wir recht schnell ausschliessen können. Es war in den 1920er Jahren offenbar bereits im Besitz eines Schweizer Sammlers. Es ist also unwahrscheinlich, dass es jemals den Engelbergs gehört hat.

Die #kunstjagd

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Ein vor 77 Jahren verschollenes Gemälde, dem über 30 Menschen ihr Leben verdanken. Eine Suche, deren Ende völlig offen ist. Ein Rätsel, das wir mit Ihnen gemeinsam lösen wollen. Alles ist möglich, und Sie können live dabei sein. Das ist die #kunstjagd.

Das zweite, der Favorit von Edward Engelberg, ist – wir können es selber kaum glauben – Teil der Sammlung unseres Stein-Experten, Olaf Thormann aus Leipzig. Warum er uns das nicht gleich gesagt hat? Wir begreifen es auch nicht recht. Also fahren wir ein drittes Mal innerhalb von sechs Wochen nach Leipzig. Dort klärt Thormann uns auf: Dieses Bild fällt beim genaueren Hinsehen aus, es sei wohl erst in den Dreissigern gemalt worden. Und ausserdem hätten wir ihn ja nicht gezielt danach gefragt. Nun gut. Wir können es ausschliessen.

Auf dem Weg zu Thormann hatten wir kurz in Reutlingen gehalten. Als wir zu Beginn unseres Roadtrips noch euphorisch – und auch nur halbernst – Luftschlösser über den Ausgang dieser Suche bauten, hatten wir uns manchmal ausgemalt, wie wir in den letzten Tagen an irgendwelchen Haustüren klingeln würden. Haustüren von Nachfahren, deren Eltern oder Grosseltern vielleicht das Gemälde der Engelbergs entgegen genommen haben könnten. Die Zahl dieser Haustüren blieb überschaubar.

Besuch bei der Tochter von Paul Frei

Genau genommen ist es diese eine in Reutlingen. Hier wohnt die heute 78-jährige Tochter von Paul Frei, des Mannes, der 1938 Kanzleichef im Schweizer Generalkonsulat in München war. Wir kennen nur ihre Adresse. Über eine Kollegin einer süddeutschen Regionalzeitung, die vor zwei Jahren einen Text über die ältere Dame geschrieben hat, hatten wir ihren Vor- und Nachnamen und ihre frühere Meldeadresse herausgefunden. Ein ehemaliger Arbeitgeber hatte sich erinnern können, sie sei von Villingen nach Reutlingen gezogen. Diese Informationen reichen aus, um eine Auskunft vom Einwohnermeldeamt zu bekommen. Weil sie keine Telefonnummer hat, müssen wir klingeln. Wir wissen nicht, was uns erwartet – aber rechnen sicher nicht mit einer agilen Seniorin, die leider wenig Zeit hat, weil sie gleich zu einer Verabredung muss.

Es reicht für einige kurze Worte zu ihrem Vater, der eine beeindruckende Persönlichkeit gewesen sei. Und sie erzählt uns, dass er Korruption verabscheut habe – selbst kleine Geschenke, die er in Ausübung seines Dienstes erhalten habe, habe er wieder abgegeben. Sie hat sogar noch sein Tagebuch, das im Jahr 1938 beginnt. Gerne will sie uns alles zeigen, aber dazu müssen wir wiederkommen.

Die Zeit wird knapp

Die Kooperation

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Legende: «Follow the Money»

«Follow the Money» (FtM) ist ein journalistisches Recherche-Startup, das nach Antworten auf klare, instinktiv fesselnde Fragen zu Themenkomplexen sucht, die alle angehen.

Gemeinsam mit der Filmproduktion Gebrüder Beetz sowie BR, Deutschlandradio Kultur, ORF, Rheinische Post, SRF und Süddeutsche Zeitung begibt sich FtM auf die #kunstjagd.

Wir wissen, dass unsere Live-Suche nur noch wenige Tage dauern wird. Auch wenn die Geschichte Paul Freis es sicher wert ist, erzählt zu werden, haben wir nicht das Gefühl, das sie uns zu dem verschollenen Gemälde führen wird, das wir immer noch zu finden hoffen. Also zurück zur Bilderspur - ein Favorit Edward Engelbergs ist ja noch offen. Er gehört, das konnten wir herausfinden, einem alten Mann in München. Wir haben bereits mehrfach telefoniert, er will sich gern mit uns treffen, hat aber erst am Dienstag, zwei Tage vor Ausstrahlung unseres letzten Podcast-Episode Zeit für uns. Das wird verdammt eng.

Auf dem Weg zu seinem Haus witzeln wir noch herum, wie unglaubwürdig es wäre, wenn ausgerechnet dieses Bild, so kurz vor Schluss, sich tatsächlich als unser gesuchtes herausstellen würde. Im Grunde sind wir alle bereit, uns eine letzte Absage einzufangen, ein letztes Ausschlussverfahren zum guten Ende zu bringen.

Doch die Situation ist völlig anders als erwartet. Wir werden – entgegen der vorherigen Verabredung – zu absoluter Diskretion verdonnert. Nur wenn wir das zusagen, werde man überhaupt mit uns sprechen. Was bleibt uns übrig als zuzustimmen? Draussen auf der Strasse stehen unser Kameramann Jakob, unser Tonmann Johannes und unser Radiomacher Fredy und warten. Drinnen wird die Stimmung herzlicher, der alte Herr zeigt uns das Bild, das wir nun zum ersten Mal in Farbe sehen.

Unsere erste Reaktion: Das könnte es tatsächlich sein. Es sieht der «Mona Lisa» der Engelbergs recht ähnlich, die Körperhaltung und die Frisur ähneln sich. Die Grösse passt auch, das Bild ist ausserdem 1917 gemalt worden – auch das fügt sich in unsere Geschichte. Der Vater des heutigen Besitzers scheint Otto Th.W. Stein geschätzt zu haben, er besass noch einige andere Werke, darunter eine Zeichnung mit einer persönlichen Widmung von Heinrich Barchfeld, einem der liebsten Kunsthändler Steins. Gemäss den Angaben des lange verstorbenen Vaters hat dieser das Bildnis in den 1950er Jahren in München in einer Kunsthandlung Meisl erworben, es sei «kriegsbeschädigt» gewesen und später restauriert worden.

Auch hier knüpft die Geschichte des dritten Bildes an die des Gemäldes an, das Paula Engelberg im November 1938 von der Wand genommen, aufgerollt und aus dem Haus getragen haben soll, um damit ein Visum für die Schweiz zu bekommen, das ihren Mann Jakob aus dem KZ Dachau herausholen würde.

Aber natürlich gibt es keine Gewissheit. Dafür gleich das nächste Problem: Solange der Besitzer seine Anonymität wahren möchte, haben wir so gut wie keine Möglichkeit herauszufinden, wie sich die zeitliche Lücke zwischen 1938 und den 1950ern schliessen lassen könnte. Wir haben wieder bloss ein paar Strohhalme, an die wir uns mit neuer Energie klammern. Es gibt eine Rahmenwerkstatt, die das Bild gerahmt hat, natürlich auch vor einigen Jahrzehnten, aber vielleicht gibt es ja noch Unterlagen? Ausserdem bekommen wir die Zusage, das Bild in einigen Wochen mitnehmen und mit den Experten des Zentralinstitut für Kunstgeschichte genauer untersuchen zu dürfen. Und natürlich fahnden wir nach der Kunsthandlung Meisl in München, die wir – zumindest in der Kürze der Zeit – nicht ausfindig machen können. Sie ist nirgendwo verzeichnet, kein Experte kennt sie. Die Whatsapp-Nutzer unterstützen uns fleissig mit guten Ideen, doch am Ende keimt der Verdacht: Was ist, wenn es diese Kunsthandlung nie gab?

Offenes Ende

Wir sind so dicht dran wie nie zuvor. Oder vielleicht auch auf einer völlig falschen Fährte. Edward Engelberg jedenfalls, dem wir die Fotos geschickt haben, diesmal in Farbe, hält es weiterhin für möglich, ohne absolut sicher sein zu können. Sein Sohn Stephen indes schreibt: Faszinierend, die Ähnlichkeit zwischen dem Bild in München und dem in Portland sei verblüffend.

An diesem Abend wird uns klar: Es ist noch viel zu tun. Unser Roadtrip endet diese Woche, ja. Aber wir werden noch in viele Archive steigen und viele Gespräche führen müssen, um am Ende hoffentlich mehr über die Geschichte dieses Bildes zu erfahren, die vor seinem Erwerb durch den Vater des heutigen Besitzer lag. Wenn auch nicht live: Die Suche geht weiter.

Die #kunstjagd auf Radio SRF 4 News sowie täglich auf srf.ch/news, Whatsapp, Facebook, Twitter, Instagram, Soundcloud, und Vimeo.

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