Hunderttausende Menschen zogen heute durch London. Ihre Forderung: ein zweites Brexit-Referendum. Sie wollen nochmals über den EU-Austritt abstimmen. Organisiert wurde der Protestzug von einem Bündnis mit dem Namen «People’s Vote».
Die Demonstranten versammelten sich in der Nähe des Hyde Park und marschierten gemeinsam zum Parlament. Viele von ihnen schwangen EU-Flaggen, einige verkleideten sich – etwa als Elvis-, Einhörner oder Astronauten.
Trotz Brexit-Chaos verlieren die Briten ihren Humor nicht
Millionen unterzeichnen Online-Petition
Unter den Protestierenden befand sich auch Sadiq Khan, der Bürgermeister von London. Er politisiert für die oppositionelle Labour-Partei. «Ich marschiere gemeinsam mit Menschen aus jedem Winkel unseres Landes», teilte er auf Twitter mit. Die Veranstalter organisierten die Demonstration, weil sie nach einem Austritt aus der EU unter anderem geringere Lebensstandards und Einbussen für die Wirtschaft befürchten.
Hinter sich wissen sie die über vier Millionen Menschen, die eine Online-Petition gegen den Brexit unterzeichnet haben. Die Website war wegen des grossen Ansturms zeitweise lahmgelegt. Diese vielen Online-Stimmen haben Relevanz, weil das Parlament jede Petition mit über 100'000 Unterzeichnern in der Debatte berücksichtigen muss.
Politische Machtspiele
Derweil wächst der Druck auf Premierministerin Theresa May auch in politischen Kreisen. Viele Parlamentarier fordern bereits jetzt einen Rücktritt. Sie bezeichnen die kommenden Tage als Mays Schicksalswoche.
Umgekehrt übt auch die Premierministerin Druck auf die Abgeordneten aus. In einem an die Parlamentarier adressierten Brief schrieb sie, dass sie sich überlege, doch nicht ein drittes Mal über den mit der EU ausgehandelte Austritts-Vertrag abstimmen zu lassen. Derselbe Vertrag war bereits bei zwei früheren Abstimmungen durchgefallen. Der dritte Anlauf wäre für nächste Woche geplant.
Verschiedene Austrittsdaten
Sie würde den Deal nur dann wieder zur Abstimmung vorlegen, falls sich eine ausreichende Unterstützung abzeichne, so May. Ansonsten müsse Grossbritannien in Brüssel um einen weiteren Aufschub bitten, was aber eine Teilnahme an der Europawahl bedeuten würde.
Die EU und May hatten sich in der Nacht zum vergangenen Freitag auf eine Verschiebung des EU-Austritts bis mindestens 12. April geeinigt. Der Plan: Stimmt das Unterhaus dem Abkommen nächste Woche zu, soll der Austritt am 22. Mai geregelt über die Bühne gehen. Gelingt das nicht, erwartet die EU von London vor dem 12. April neue Vorschläge. Ursprünglich wollte Grossbritannien die Europäische Union schon am kommenden Freitag (29. März) verlassen.