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Ein Monat vor «Brexit-Wahl» «Die taktischen Wähler machen Prognosen schwierig wie nie»

Vier Wochen vor den vorgezogenen Neuwahlen in Grossbritannien hofft Premier Boris Johnson auf eine klare Mehrheit, um das Brexit-Abkommen durchs Parlament zu bringen. Gemäss neuesten Umfragen liegen seine Tories mit bis zu 41 Prozent der Stimmen klar vor Labour mit 26 bis 29 Prozent. Prognosen seien nach einhelliger Expertenmeinung sehr schwierig, sagt SRF-Korrespondentin Henriette Engbersen.

Henriette Engbersen

Grossbritannien-Korrespondentin, SRF

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Engbersen ist seit Frühling 2017 Grossbritannien-Korrespondentin von SRF. Sie ist seit 2008 für das Schweizer Fernsehen tätig, zuerst als Ostschweiz-Korrespondentin und später als Redaktorin der «Tagesschau».

SRF News: Ist Boris Johnson die Mehrheit im Parlament so gut wie sicher?

Nein. Denn es wird im Majorzverfahren gewählt. In jedem der 650 Wahlkreise gewinnt nur derjenige mit den meisten Stimmen. Das kann dazu führen, dass die Tories trotz guter Umfragen in einigen Wahlkreisen knapp verlieren. So hätte er am Ende im Verhältnis weniger Sitze als Wählerstimmen. Zugleich lagen die Umfragen bereits 2015 und 2017 daneben. Prognosen sind nach einhelliger Expertenmeinung so schwierig wie nie seit dem Zweiten Weltkrieg.

Was macht die Wahlen so unberechenbar?

Die Wahlen stehen ganz im Zeichen von Brexit. Entsprechend könnten viele anders wählen, als sie es traditionell tun, also taktisch wählen. Langjährige treue Labour-Wähler neigen zu den Liberaldemokraten, da diese den Brexit stoppen wollen. Gleiches läuft umgekehrt bei Brexit-Befürwortern. Mehrere Organisationen zeigen auf Internetseiten, wie man in welchem Wahlkreis wählen muss, um den Brexit zu verhindern. Offen bleibt, ob diese Menschen dem «Tactical Voting» folgen oder im letzten Moment doch wieder auf ihre traditionelle Partei umschwenken.

Nigel Farage mit seiner Brexit-Partei will die Konservativen nun doch nicht überall angreifen. Wie entscheidend ist die Kehrtwende für Johnson?

Das erhöht zwar die Chancen der Konservativen auf eine Mehrheit. Viel hat Johnson aber nicht geschenkt bekommen, denn Farage will weiterhin in den umkämpften Wahlkreisen antreten. Etwa dort, wo bisher immer Labour gewonnen hat, wo aber zugleich die meisten Wähler für einen Brexit sind. Es sind rund 20 umkämpfte Regionen, die Johnson gewinnen muss. Wenn sich dort Tories und Brexit-Partei Stimmen wegnehmen, könnte Labour lachender Dritter der Majorzwahl sein.

Der Chef der Brexit-Partei, Nigel Farage, wirbt in Ilford, Essex.
Legende: Der Chef der Brexit Party, Nigel Farage, wirbt in der Stadt Ilford im Osten von London. Keystone

Worauf setzten die Parteien im Wahlkampf inhaltlich? Geht es nur um den Brexit?

Das grosse Motto ist «Wir liefern Brexit». Aber der Mensch lebt ja nicht vom Brexit allein. Deshalb versprechen die Tories auch das Ende des mehrjährigen Sparprogramms. Etwa mit Investitionen ins chronisch unterfinanzierte Gesundheitssystem und mehr Geld für Bildung. Die vorweihnächtlichen Wahlen versprechen grosszügige Geschenke. Labour verspricht jährliche Investitionen für Infrastruktur von 55 Milliarden Pfund. Das wäre doppelt so viel wie bisher.

Labour-Chef Jeremy Corbyn auf Wahlkampf im schottischen Uddingston.
Legende: Labour-Chef Jeremy Corbyn auf Wahlkampf im schottischen Uddingston. Keystone

Wird der Wahlkampf schmutzig?

Die schmutzige Phase, in der vielleicht Skandale ans Licht kommen, kommt vermutlich noch. Bisher gab es einige einschneidende Momente. So hat etwa der ehemalige Tory-Minister David Gauke dazu aufgerufen, keinesfalls die Tories zu wählen, sondern die Liberaldemokraten oder ihn selber als Unabhängigen. Der hochrangige Labour-Politiker Ian Austin riet öffentlich davon ab, Parteichef Jeremy Corbyn zu wählen, da dieser den Antisemitismus in der Partei zu wenig bekämpfe. Solche Aussagen wären vor ein paar Jahren undenkbar gewesen.

Aktuell liegt in Westminister noch ein unveröffentlichter Bericht, der sich mit der Einflussnahme der Russen bei den letzten Wahlen und beim Brexit-Referendum befasst. Eine Veröffentlichung vor der Wahl könnte Johnson Kopfschmerzen bereiten.

Das Gespräch führte Salvador Atasoy.

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