Vom Bürgermeister zum Präsident El Salvadors – ein Karrieresprung, der für Aufsehen sorgt. Nayib Bukele ist erst 37-jährig und gehört keiner der beiden grossen Parteien von El Salvador an, die sich die Macht während der letzten 30 Jahre abwechselnd geteilt haben. Kein Wunder, sprechen viele von einer epochalen Wahl für das zentralamerikanische Land.
SRF News: Wer ist der neue Präsident?
Toni Keppeler: Nayib Bukele ist ein bisschen wie eine Kunstfigur. Er ist gelernter Werbefachmann und hat eine grosse Werbeagentur in El Salvador. Er wendet sein Fachwissen auf sich selber an: 2012 ist er zum Bürgermeister der kleinen Gemeinde Nuevo Cuscatlán gewählt worden, 2015 zum Stadtoberhaupt der Hauptstadt San Salvador. Seither hatte er im Blick, Präsident zu werden.
Was ist der Grund, dass er als Aussenseiter diese Wahl gewonnen hat?
Es ist wie fast überall heute in Lateinamerika: Das klassische Parteiensystem ist desavouiert. Beide grossen Parteien in El Salvador, die rechtskonservative Arena und die linke FMLN, haben schwere Korruptionsskandale am Hals. Diese Lücke hat Bukele geschickt genutzt.
Was wird nun anders in El Salvador?
Nayib Bukele geht im Prinzip gegen die etablierten Parteien vor, ohne selber ein klares Programm zu haben. Bei seinen beiden Bürgermeisterämtern ist er für die FMLN angetreten. Mit dieser Partei hat er sich dann völlig zerstritten und ist ausgeschlossen worden. Jetzt ist Bukele für die extrem rechte und sehr korrupte Gana angetreten. Diese Partei hat er aber nur als Wahlplattform genutzt. In El Salvador schreibt die Gesetzeslage vor, dass ein Präsidentschaftskandidat auf dem Ticket einer Partei antreten muss.
Ganz so sauber wie Bukele sich gibt, soll er nicht sein.
Wie will er die Korruption bekämpfen?
Er hat gesagt, er wolle eine internationale Kommission aus Staatsanwälten ins Land holen. Allerdings will er diese nicht von den Vereinten Nationen erbitten, wie das bei Guatemala der Fall ist, sondern von der Organisation Amerikanischer Staaten . Eine ähnliche Kommission gibt es in Honduras. Und die ist ziemlich zahnlos. Böse Zungen sagen, das sei auch ein Schutz für Bukele selber. Ganz so sauber wie er sich gibt, soll er nicht sein. Aber es gibt noch keine Ermittlungen.
Aus El Salvador steuern viele Migranten die USA an. Der neue Präsident wird wohl bald einen Anruf von Trump bekommen.
Den wird er sicher bekommen, und es wird auch sicher einen Streit geben. El Salvador ist halb so gross wie die Schweiz und hat fast so viele Einwohner, nämlich etwa sechs Millionen. Drei Millionen Salvadorianer leben im Ausland, zwei davon allein in den USA. Man geht davon aus, dass sich jeden Tag zwischen 300 und 400 Migranten illegal auf den Weg in den Norden machen.
El Salvador lebt von den Migranten.
Die Zahlen sind seit 20 Jahren mehr oder weniger die gleichen. Und El Salvador lebt von diesen Migranten. Es gibt wenig Industrie, viele Lebensmittel müssen importiert werden. El Salvador ist ein Land der Händler, und das Geld dafür kommt im Wesentlichen von den Migranten, die in den USA leben. Diese Devisen sind die Haupteinnahmequelle des Landes.
Die Migration ist also wirtschaftlich bedingt und nicht wegen der grossen Kriminalität in El Salvador?
Sie war im Wesentlichen immer wirtschaftlich bedingt. In den letzten Jahren hat es sich aber mehr und mehr überlagert durch die Kriminalität. Etwa ein Prozent der Bevölkerung sind Mitglieder von Banden und etwa zehn Prozent lebt von deren Schutzgelderpressung. Vor dieser Gewalt fliehen vor allem junge Männer, weil sie von diesen Banden rekrutiert werden.
Das Gespräch führte Beat Soltermann.