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Erneute Demonstrationen Neue Proteste gegen die Regierung und den König

Wie ein grosses Festival fühlt sich die Demonstration von Samstag vor dem Parlament in Bangkok an. Aktivisten singen Protestlieder. Ein Mönch hält eine Brandrede gegen Premierminister Prayuth Chan-o-Cha und für mehr Demokratie.

Misstrauensvotum überstanden

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Im Parlament fand am Wochenende zum zweiten Mal ein Misstrauensvotum gegen Premierminister Prayuth Chan-o-Cha statt. Da er im Parlament aber eine Mehrheit hat, überstand er es unbeschadet.

Ein Demonstrant in Superman-Kostüm tanzt neben einem anderen, der ein Plakat in die Höhe hält, auf dem steht: «Offene Kritik ist besser als Klatsch und Tratsch.»

«Schafft 112 ab»

Inspiriert von den Kochtopf-Demonstrationen im Nachbarland Burma lärmen auch die thailändischen Demonstranten mit Töpfen und Pfannen. «Schafft 112 ab» steht in grossen Lettern auf den improvisierten Musikinstrumenten. Damit ist Artikel 112 des thailändischen Strafgesetzbuches gemeint.

Artikel 112

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Artikel 112 bestraft Majestätsbeleidigung, und damit jede Art von Kritik am König mit bis zu 15 Jahren Gefängnis. In Thailand, wo König und Regierung seit langem am selben Strick ziehen, nutzt die Regierung das Majestätsbeleidigungsgesetz, um ihre eigenen Kritiker wegzusperren.

Seit November wurden beinahe 60 Aktivisten wegen Königsbeleidigung angeklagt. Auch Chonthicha Jangrew, eine 28-jährige Thailänderin, die ebenfalls gekommen ist, um zu demonstrieren: «Ich bin angeklagt wegen Königsbeleidigung und Computerkriminalität, weil ich auf Facebook einen Brief an König Maha Vajiralongkorn veröffentlicht habe, in dem ich ihn bat, nicht nur seine Anhänger anzuhören, sondern auch uns.» Noch immer habe der König und die Regierung die drei Forderungen nicht erfüllt, sagt Jangrew.

Die drei Forderungen sind: Eine neue Verfassung, Neuwahlen abzuhalten und die Einschüchterung von Kritikern und politischen Gegnern zu stoppen. Auch fordern die Aktivisten, dass der Premierminister abtritt und die Monarchie reformiert wird.

Demonstrationen versiegten vorübergehend

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Im vergangenen Jahr gingen Zehntausende meist jüngere Thailänderinnen und Thailänder auf die Strasse. Die Regierung begegnete ihnen mit Wasserwerfern, liess die Anführer verhaften und verhängte neue, härtere Corona-Massnahmen, grosse Menschenansammlungen wurden verboten. Die Demonstrationen versiegten vorübergehend. Doch nun ist das Maskottchen der pro-Demokratie-Aktivisten, das gelbe Gummiquietschentchen, wieder zurück auf der Strasse. Als aufblasbare Mega-Ente diente sie im vergangenen Jahr als Schutz gegen die Wasserwerfer.

Burma inspiriert die Demonstranten

Inspiriert durch die Zehntausenden, die zurzeit in Burma, das auch Myanmar genannt wird, auf die Strasse gehen, um gegen den Militärputsch zu protestieren, sei nun auch die thailändische Protestbewegung wieder erwacht, sagt Chonthicha Jangrew: «Wir schauen nach Myanmar und fragen uns: Wieso haben nicht auch wir damals zu protestieren begonnen, als sich General Prayuth Chan-o-Cha vor sieben Jahren in Thailand an die Macht putschte? Vielleicht hätten wir dann seine Regierung und alles, was mit ihr kam, verhindern können.»

Schild.
Legende: Die Demonstranten fordern unter anderem eine Reform der Monarchie. Keystone

Es war der zwölfte Militärputsch in der Geschichte Thailands. Die Generäle änderten die Verfassung, und Putschgeneral Prayuth Chan-o-Cha liess sich in einer umstrittenen Wahl vor zwei Jahren zum Premierminister wählen. Nicht nur die Meinungsfreiheit hat darunter gelitten. Laut Weltbank ist die Armut seit der Machtübernahme des Militärs in Thailand wieder gestiegen.

Extreme Ungleichheit in Thailand

Zudem ist die Ungleichheit beim Einkommen und Privatvermögen in keinem anderen Land weltweit grösser, wie ein Bericht der Credit Suisse von 2018 zeigt. So kontrolliert ein Prozent der Bevölkerung in Thailand fast 70 Prozent des Reichtums im Land.

Deshalb könnten nicht nur die thailändischen Demonstranten von den Burmesischen lernen, sondern auch umgekehrt, sagt Aktivistin Jangrew: «Die Demonstranten in Myanmar haben bereits unseren Drei-Finger-Protest-Gruss übernommen. Wir lernen voneinander.»

Der Blick auf ihr Nachbarland Thailand ist für die Burmesen wie ein Blick in die Zukunft. Weniger Meinungsfreiheit und eine sich verschlechternde Wirtschaft, könnte auch ihr Schicksal sein, wenn die Putschgeneräle an der Macht bleiben. Voneinander zu lernen, bedeutet für die pro-Demokratie Aktivisten in beiden Ländern, nicht aufzugeben.

Echo der Zeit, 21.2.2021, 18:00 Uhr ; 

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