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International «Es brodelt im Mount-Everest-Basislager»

Nach dem Lawinenunglück am Mount Everest, bei dem 16 Sherpas starben, warten hunderte Bergsteiger in ihren Zelten. Sie wissen nicht, ob sie den Gipfel besteigen können oder die lange geplante Expedition abbrechen müssen. Unter ihnen ist auch die deutsche Journalistin Juliane Möcklinghoff.

SRF: Uns erreichen Meldungen, wonach viele Sherpas das Basislager unter Protest verlassen hätten. Wie viele befinden sich noch im Lager?

Juliane Möcklinghoff: Das ist schwierig zu sagen. Besonders kleinere Bergsteigeragenturen – also kleinere Gruppen – sind abgereist. Aber grössere Agenturen, wie auch unsere, befinden sich noch hier. In unserer Gruppe mit dem blinden Bergsteiger Andy Holzer sind 20 Leute aus der ganzen Welt. Viele Sherpas sind freigestellt worden, um nach Hause zu gehen für die Trauerfeier ihrer verstorbenen Kollegen. Einige sind bereits heute zurückgekommen. Es befinden sich unglaublich viele Sherpas hier im Basislager. Es ist definitiv falsch, dass alles hier abgebrochen wurde.

Juliane Möcklinghoff

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Legende: NDR

Die Moderatorin und Sportreporterin arbeitet beim Norddeutschen Rundfunk (NDR) in Hamburg. Zurzeit ist sie im Basislager des Mount Everest auf knapp 5400 Meter. Bis dorthin hat sie den blinden Bergsteiger Andy Holzer begleitet, der eigentlich in den kommenden Tagen zum Gipfel aufbrechen wollte.

Wie ist die Stimmung unter den Sherpas?

Sie sind alle sehr geschockt. Und es brodelt hier auf jeden Fall. Es brodelt, weil sie sich nicht einig sind, wie es weitergehen soll. Es brodelt auch unter den Touristen. Es sind nicht alle so besonnen wie Andy Holzer. Er hat Geduld und wartet ab, wie es weitergeht. Es gibt auch Touristen, die sagen ‹wir wollen da hoch, wir haben schliesslich bezahlt›.

Wie äussert sich die Uneinigkeit unter den Sherpas?

Sie sind geteilter Meinung. Eine kleine Gruppe demonstrierte. Es wird heftig diskutiert. Jüngere wollen eher abbrechen als Ältere. Vor allem auch Sherpas von kleineren Agenturen wollen nicht mehr weiterarbeiten, weil sie schlechter bezahlt werden. Damit wollen sie ein Zeichen setzen. Unsere sind alles erfahrene, ältere Sherpas. Sie sagen, es gibt kein Richtig und Falsch. Es war ein Arbeitsunfall. ‹Wir wollen trauern, aber wir wollen auch unser Geld verdienen›.

Dann ist die Aufregung nun auch ein Ausdruck der allgemeinen Unzufriedenheit…

Eine Karte des Mount Everest.
Legende: Die Lawine ging im Popcorn-Feld nieder und erfasste dort die Sherpas. SRF

Die Diskussion dreht sich tatsächlich weniger um den Unfall. Es sind sich alle einig, es könnte alle treffen – auch Touristen. Die Wut auf die Regierung ist sehr gross. Zum einen, dass nach dem Unglück keine Regierungsvertreter gekommen sind. Und vor allem, wird die Regierung angeklagt, das Geld der Everest-Gebühren in die eigene Tasche zu stecken. Darüber habe ich noch keine andere Meinung gehört.

Eine Expedition kostet um die 20'000 Franken. Es ist sogar von mehreren zehntausend die Rede. Wie viel kriegen die Sherpas davon?

Ich habe nur von 20'000 gehört. Ein Grossteil davon geht an die Regierung als Aufstiegsgeld. Der Lohn ist von Agentur zu Agentur verschieden. Sherpas von kleineren Agenturen verdienen schlechter als solche von grösseren. Es hängt auch davon ab, wie weit sie die Expedition begleiten. Ein Bergführer, der eine Gruppe nicht nur bis zum Basiscamp, sondern bis zum Gipfel bringt, verdient besser. Ein solches Saison-Gehalt entspricht dann einem nepalesischen Jahresgehalt.

Sind die Kosten gerechtfertigt?

Ins Basislager muss man erst einmal kommen. Dort verbringt man dann fünf bis sechs Wochen für die Akklimatisierung.

Die Kosten stehen im Gegensatz zu dem, was die Regierung den Angehörigen der Opfer angeboten hat: pro Familie 40'000 Rupien – umgerechnet 360 Franken. Auch diese Summe hat bei den Sherpas Wut ausgelöst. Inzwischen hat die Regierung laut Agenturen diese Summe erhöht und auch weitere Hilfen versprochen. Beruhigt sie das nicht?

Diese Meldungen sind noch nicht bis hier oben vorgedrungen. Aber zurzeit finden Verhandlungen statt. Es landen auch Hubschrauber – vermutlich mit Regierungsvertretern.

Wie geht es weiter mit der Expedition um Andy Holzer?

Nach dem Unglück haben wir uns überlegt aufzugeben. Es ist ein Auf und Ab. Doch Andy Holzer führt viele Gespräche mit den Sherpas. Sie sagen ihm‚ ‹ihr gebt uns Arbeit, wir machen das mit euch›. Zurzeit sind wir eher auf der Linie, weiter zu gehen. Wir sehen, was die Verhandlungen bringen. Zum jetzigen Zeitpunkt stehen die Chancen 50 zu 50.

Das Gespräch führte Franziska Engelhardt

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