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EU-Gipfel in Salzburg Debatte um Verteilung von Migranten im Leerlauf

Die EU schwenkt um: Die Verteilungsfrage steht nicht mehr im Zentrum. Diskutiert wird jetzt darüber, wie Europas Grenzen geschützt werden können.

Die EU-Kommission sagte es immer und immer wieder: Die Flüchtlingsfrage könne nur europäisch gelöst werden. Alle Mitgliedstaaten müssten sich solidarisch zeigen und bei der Umverteilung von Flüchtlingen mitmachen.

Neue Töne von Juncker

Doch noch vor dem Gipfel wich EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker von diesem Grundsatz ab. Er ging einen Schritt auf die Länder Osteuropas zu. Es brauche Solidarität untereinander, sagte er. «Die einen nehmen Flüchtlinge auf. Und die, die das nicht können oder wollen – obwohl sie das müssten – müssen sich in Sachen Solidarität bewegen.»

Juncker gesteht diesen Ländern also zu, ihre Solidarität auch anders unter Beweis zu stellen. Mit dieser Aussage im Ohr diskutierten die Staats- und Regierungschefs gestern Abend hinter verschlossenen Türen über die Flüchtlingsfrage.

Kurz: «Seien Sie nicht allzu euphorisch»

Heute Morgen bilanzierte der österreichische Kanzler Sebastian Kurz die Debatte mit der Aussage, dass die Verteilungsdebatte die Migrationsfrage nicht lösen werde.

Kurz ist nicht nur der österreichische Kanzler mit einer klaren eigenen Haltung – er ist derzeit auch EU-Ratspräsident. Einige Staaten wollten das Thema – die EU-weite Verteilung der Flüchtlinge – weiter diskutieren, sagte er weiter. «Deshalb wird es auch auf der Agenda bleiben.» Und er fügte an: «Seien Sie allerdings nicht allzu euphorisch.» Damit meint Kurz: So lange vor allem Deutschland darüber diskutieren will, wird das auch gemacht; doch erwarten darf man dabei nichts mehr.

Ein dickes Lob ans ägyptische Regime

Dafür hat die EU nun Ägypten als neuen Partner entdeckt. Letzten Sonntag reisten Kurz und Donald Tusk, der Präsident des Europäischen Rates, nach Kairo. Dort diskutierten sie mit dem ägyptischen Präsidenten Abdel Fattah al Sisi über eine mögliche Zusammenarbeit. Diese möchte die EU nun intensivieren.

Ägypten habe die illegale Migration zu praktisch 100 Prozent unterbunden, so Kurz. «Dafür sollten wir dankbar sein.» Das sei der Beweis dafür, dass «Ägypten ein guter Gesprächspartner ist. Das Land wird effizient geführt und die politische Führung ist bereit, gegen illegale Migration vorzugehen.»

Migranten gar nicht in die EU lassen

Die Frage ist natürlich, wie und zu welchem Preis ein Land wie Ägypten die Migranten stoppt. Doch das spielt für die EU keine Rolle mehr, so lange das Land dabei effizient vorgeht. Dabei gibt es nur ein Ziel: Flüchtlinge und Migranten, die auf dem Mittelmeer gerettet werden, zurück nach Afrika zu bringen.

Wenn es gelinge, die Menschen nach der Rettung nicht nach Europa, sondern in die Heimat- oder Transitländer zurückzubringen, «lösen wir die Migrationsproblematik an der Aussengrenze», sagte Kurz weiter.

Ägypten hofft auf Devisen

Box aufklappen Box zuklappen

Ägypten habe in letzter Zeit die Gesetze zur Verfolgung von Schlepperbanden verschärft, sagt der Korrespondent des «Tages-Anzeigers», Paul-Anton Krüger. Auch seien die Kontrollen an Land sowie die Patrouillenfahrten im Küstenbereich intensiviert worden. Deshalb seien in letzter Zeit wohl tatsächlich weniger Migranten nach Europa gekommen, die in Ägypten abgelegt hätten. Grundsätzlich sei das Leben für Flüchtlinge und Migranten in Äypten hart. «Manche haben ihre Organe verkauft, um hier leben zu können», sagt Krüger. Das ägyptische Regime seinerseits hoffe, durch eine Zusammenarbeit mit der EU zu Devisen zu kommen – ähnlich dem Deal, wie ihn Brüssel mit der Türkei abgeschlossen habe.

Wie viel kostet ein Flüchtling?

Trotzdem wird es auch so noch Menschen geben, die es bis nach Europa schaffen. Wie also soll die EU mit jenen den Mitgliedstaaten umgehen, die bei der Verteilung nicht mitmachen wollen? Wie sollen sie ihre Solidarität unter Beweis stellen können? Sollen sie sich freikaufen können? Diese Möglichkeit liegt auf dem Tisch – auch wenn das manche ziemlich befremdet.

So sagte der luxemburgische Premierminister Xaviel Bettel: «Ich finde es traurig, dass wir jetzt quasi darüber reden, wie viel ein Flüchtling kostet. Es geht doch um Menschen.»

Tatsächlich: Es geht um Menschen mit Rechten. Und das gilt auch für diejenigen, die auf dem Meer abgefangen werden und dann nach Nordafrika zurückgebracht werden sollen.

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