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Europas Gemüsekammer Wo Spaniens Rechtspopulisten Erfolge feiern

Die rechtspopulistische Vox dominiert gut einen Monat vor den Wahlen die politische Debatte in Spanien. Doch woher rührt ihre Popularität? Ein Augenschein in der andalusischen Stadt El Ejido.

Vox – drei Buchstaben, die derzeit viel zu reden geben in Spanien. Gut einen Monat vor den Parlamentswahlen Ende April sagen Umfragen der Partei einen Wähleranteil von 10 bis 15 Prozent voraus.

Das wäre ähnlich viel, wie Vox bei den Regionalwahlen in Andalusien im vergangenen Dezember erzielte. Damals holten die Rechtspopulisten aus dem Stand zwölf Sitze im Regionalparlament.

Die Vox-Hochburg

In El Ejido liess Vox gar sämtliche etablierten Parteien hinter sich. Die Stadt im Süden Andalusiens zählt heute 85'000 Einwohner. Vor 30 Jahren waren es noch 35'000. Die Stadt ist nicht mehr dieselbe. «Alles hat sich verändert – es ist furchtbar», meint der 78-jährige Ricardo, der sein ganzes Leben hier verbracht hat.

Eine Strasse mit Bäumen an der Seite, im Hintergrund Kinder und Erwachsene.
Legende: Die Hauptstrasse, die sich durch El Ejido zieht, heisst «Boulevard» – doch irgendwie scheint diese Bezeichnung zu glamourös für diese Strasse. SRF/Melanie Pfändler

El Ejido liegt eingebettet in einer kargen, hügeligen Einöde. Zahlreiche Filme wurden hier gedreht, Western-Klassiker wie «A Fistful of Dollars» oder auch «Lawrence von Arabien».

Ein Meer aus weissem Plastik

Doch auffälliger als die ockerfarbenen Felsen in der Region ist das Meer aus weissem Plastik: Gewächshäuser. So viele, dass man sie sogar vom Weltraum aus sehen kann. Die Massenproduktion von Tomaten, Paprika und Melonen hat den Wohlstand nach El Ejido gebracht – und die Migranten.

Luftaufnahme der Stadt El Ejido. Zu sehen sind vor allem weisse, eckige Flecken - die zahlreichen Gewächshäuser.
Legende: Ein Meer aus Plastik: Die weissen Gewächshäuser dominieren das Landschaftsbild rund um El Ejido. Keystone

«Zu viele Migranten», sagt der 78-jährige Ricardo. Ein Drittel der Einwohner hat keinen spanischen Pass, in machen Vororten sind es gar zwei Drittel. Die meisten von ihnen stammen aus Marokko. Wer sich eine Weile lang auf eine Parkbank setzt, zählt fast gleich viele Frauen mit Kopftuch, wie ohne.

«Wir sind keine Rassisten, aber...»

Auf einer dieser Parkbänke sitzen Bibiano, Bernardo, Antonio und Nicolás. Vier Senioren, die freimütig erzählen. Die vielen Migranten seien vielleicht gut für die Grossgrund-Besitzer mit ihren Gewächshäusern, aber nicht für die kleinen Leute.

Sechs Mädchen sitzen eng aneinender am Rand eines Springbrunnen.
Legende: Ein Gruppe Mädchen marrokanischer Herkunft im Vorort Las Norias de Daza. Hier machen Migranten, die in den Gewächshäusern arbeiten, und ihre Familien zwei Drittel der Bevölkerung aus. SRF/Melanie Pfändler

«Wir sind keine Rassisten, aber...» – diesen Satz hört man häufig in El Ejido. Doch wer hier lebt, weiss, dass die Stimmung kippen kann. Im Jahr 2000 wurden innerhalb weniger Tage drei spanische Einwohner von marokkanischen Migranten getötet.

Vox – Spaniens neue Rechtspartei

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Die Partei Vox ist 2013 aus dem rechten Flügel des konservativen Partido Popular (PP) heraus entstanden. Der heutige Parteichef Santiago Abascal gehörte zu den Mitgründern der Partei. Nationale Bedeutung erlangte Vox allerdings erst im vergangenen Dezember bei den Regionalwahlen in Andalusien. Vox holte knapp elf Prozent der Stimmen und zog zum ersten Mal überhaupt in ein spanisches Parlament ein.

Die Analysen zeigten, dass Vox einen grossen Anteil seines Erfolgs ehemaligen PP-Wählern zu verdanken hatte, die sich aus Enttäuschung von der grossen, klassisch konservativen Partei abgewandt hatten. Eine entscheidende Rolle spielt dabei der Katalonien-Konflikt: Während der Eskalation dieses Konflikts – dem Referendum, den Ausschreitungen, der einseitigen Unabhängigkeitserklärung, der Entmachtung der katalonischen Regierung – war der Partido Popular in Spanien an der Macht, mit Mariano Rajoy als Ministerpräsident.

Viele Wähler werfen Rajoy und seiner Partei vor, den Separatisten nicht mit der nötigen Härte entgegengetreten zu sein und sehen nun in der Vox eine Alternative, die einen kompromisslosen Kurs in der Katalonienfrage verspricht und einen starken Zentralstaat anstrebt.

Neben Katalonien setzt Vox im aktuellen Wahlkampf unter anderem auf die Themen Migration, die Bekämpfung der «korrupten Eliten» und den Anti-Feminismus. So will die Partei etwa das Gesetz gegen Gewalt an Frauen abschaffen, weil dieses in ihrem Verständnis die Männer diskriminiere und unter Generalverdacht stelle.

Es kam zu regelrechten Strassenkämpfen. Eine Moschee wurde verwüstet; Häuser, in denen Migranten lebten, wurden angezündet und die Zufahrtsstrassen gesperrt, um Polizei und Feuerwehr die Zufahrt zu verwehren. Die internationalen Medien sprachen von «rassistischer Gewalt».

Der Leader der spanischen Vox, Santiago Abascal, bei einer Ansprache
Legende: Vox-Präsident Santiago Abascal vor seinen Anhängern in Madrid. Keystone

Wachsende Politikverdrossenheit

Die migrationsfeindlichen Parolen von Vox haben für den Erfolg der Partei eine Rolle gespielt, eine wichtige Rolle sogar. Doch der wichtigste Faktor ist der Frust. Hört man den Einwohnern von El Ejido zu, fallen harte, verbitterte Sätze.

Etwa, wenn der 83-jährige Nicolás sagt, Spanien brauche wieder einen Diktator wie Franco, der das Land aufräume. Ob Sozialisten oder Konservative, das seien doch alles Diebe.

Man sieht die zerfurchten und dreckigen Hände eines 83 Jahre alten Mannes.
Legende: «Schau dir meine Hände an», sagt der 83-jährige Nicolás. «Mein Leben lang habe ich gearbeitet. Und doch kann ich mir keinen Fisch mehr kaufen.» SRF/Melanie Pfändler

Den Politikern vertraut Nicolás schon lange nicht mehr. Spätestens, seit der letzte Bürgermeister und der Vorsitzende der Finanzkontrolle wegen Veruntreuung öffentlicher Gelder hinter Gitter mussten. Auch gegen den aktuellen Bürgermeister laufen Ermittlungen. «Schau dir meine Hände an», sagt Nicolás. «Mein Leben lang habe ich gearbeitet. Und doch kann ich mir keinen Fisch mehr kaufen.»

Viel Geld, aber nicht für alle

Höhere Renten – das war eines der Wahlversprechen von Vox. 37 Prozent der Bevölkerung in der Region leben unter der Armutsgrenze. Wer eine Arbeit hat, der bekommt dafür so wenig, dass es kaum zum Überleben reicht. Der durchschnittliche Jahreslohn beträgt weniger als 14'000 Euro.

Unter den weissen Plastikplanen der Gewächshäuser liegt viel Geld. Aber nicht für alle. In kaum einer Stadt ist die Ungleichheit so offensichtlich, wie in El Ejido.

Auf einem Parkplatz an der Hauptstrasse steht ein Porsche neben einem verbeulten Kleinwagen. Statt Marktständen und Strassencafés reiht sich eine Bank an die andere, dazwischen Immobilien-Agenturen und eine Schönheits-Klinik. Und immer wieder ein Spielsalon. Als würde die ganze Stadt auf das Glück warten, von dem am Ende immer nur die anderen etwas abbekommen.

Eine Karte Spaniens. Eingezeichnet sind die Hauptstadt Madrid, ungefähr in der Mitte des Landes, sowie die Stadt El Ejido ganz im Süden an der Küste.
Legende: Die Stadt El Ejido liegt in der Region Andalusien ganz im Süden Spaniens. SRF News

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