Vox – drei Buchstaben, die derzeit viel zu reden geben in Spanien. Gut einen Monat vor den Parlamentswahlen Ende April sagen Umfragen der Partei einen Wähleranteil von 10 bis 15 Prozent voraus.
Das wäre ähnlich viel, wie Vox bei den Regionalwahlen in Andalusien im vergangenen Dezember erzielte. Damals holten die Rechtspopulisten aus dem Stand zwölf Sitze im Regionalparlament.
Die Vox-Hochburg
In El Ejido liess Vox gar sämtliche etablierten Parteien hinter sich. Die Stadt im Süden Andalusiens zählt heute 85'000 Einwohner. Vor 30 Jahren waren es noch 35'000. Die Stadt ist nicht mehr dieselbe. «Alles hat sich verändert – es ist furchtbar», meint der 78-jährige Ricardo, der sein ganzes Leben hier verbracht hat.
El Ejido liegt eingebettet in einer kargen, hügeligen Einöde. Zahlreiche Filme wurden hier gedreht, Western-Klassiker wie «A Fistful of Dollars» oder auch «Lawrence von Arabien».
Ein Meer aus weissem Plastik
Doch auffälliger als die ockerfarbenen Felsen in der Region ist das Meer aus weissem Plastik: Gewächshäuser. So viele, dass man sie sogar vom Weltraum aus sehen kann. Die Massenproduktion von Tomaten, Paprika und Melonen hat den Wohlstand nach El Ejido gebracht – und die Migranten.
«Zu viele Migranten», sagt der 78-jährige Ricardo. Ein Drittel der Einwohner hat keinen spanischen Pass, in machen Vororten sind es gar zwei Drittel. Die meisten von ihnen stammen aus Marokko. Wer sich eine Weile lang auf eine Parkbank setzt, zählt fast gleich viele Frauen mit Kopftuch, wie ohne.
«Wir sind keine Rassisten, aber...»
Auf einer dieser Parkbänke sitzen Bibiano, Bernardo, Antonio und Nicolás. Vier Senioren, die freimütig erzählen. Die vielen Migranten seien vielleicht gut für die Grossgrund-Besitzer mit ihren Gewächshäusern, aber nicht für die kleinen Leute.
«Wir sind keine Rassisten, aber...» – diesen Satz hört man häufig in El Ejido. Doch wer hier lebt, weiss, dass die Stimmung kippen kann. Im Jahr 2000 wurden innerhalb weniger Tage drei spanische Einwohner von marokkanischen Migranten getötet.
Es kam zu regelrechten Strassenkämpfen. Eine Moschee wurde verwüstet; Häuser, in denen Migranten lebten, wurden angezündet und die Zufahrtsstrassen gesperrt, um Polizei und Feuerwehr die Zufahrt zu verwehren. Die internationalen Medien sprachen von «rassistischer Gewalt».
Wachsende Politikverdrossenheit
Die migrationsfeindlichen Parolen von Vox haben für den Erfolg der Partei eine Rolle gespielt, eine wichtige Rolle sogar. Doch der wichtigste Faktor ist der Frust. Hört man den Einwohnern von El Ejido zu, fallen harte, verbitterte Sätze.
Etwa, wenn der 83-jährige Nicolás sagt, Spanien brauche wieder einen Diktator wie Franco, der das Land aufräume. Ob Sozialisten oder Konservative, das seien doch alles Diebe.
Den Politikern vertraut Nicolás schon lange nicht mehr. Spätestens, seit der letzte Bürgermeister und der Vorsitzende der Finanzkontrolle wegen Veruntreuung öffentlicher Gelder hinter Gitter mussten. Auch gegen den aktuellen Bürgermeister laufen Ermittlungen. «Schau dir meine Hände an», sagt Nicolás. «Mein Leben lang habe ich gearbeitet. Und doch kann ich mir keinen Fisch mehr kaufen.»
Viel Geld, aber nicht für alle
Höhere Renten – das war eines der Wahlversprechen von Vox. 37 Prozent der Bevölkerung in der Region leben unter der Armutsgrenze. Wer eine Arbeit hat, der bekommt dafür so wenig, dass es kaum zum Überleben reicht. Der durchschnittliche Jahreslohn beträgt weniger als 14'000 Euro.
Unter den weissen Plastikplanen der Gewächshäuser liegt viel Geld. Aber nicht für alle. In kaum einer Stadt ist die Ungleichheit so offensichtlich, wie in El Ejido.
Auf einem Parkplatz an der Hauptstrasse steht ein Porsche neben einem verbeulten Kleinwagen. Statt Marktständen und Strassencafés reiht sich eine Bank an die andere, dazwischen Immobilien-Agenturen und eine Schönheits-Klinik. Und immer wieder ein Spielsalon. Als würde die ganze Stadt auf das Glück warten, von dem am Ende immer nur die anderen etwas abbekommen.