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Gekritzel auf einer Wand, «Speechless» und ein weinendes Smiley und andere Sprüche.
Legende: Wut und Ohnmacht kommen bei jenen auf, die von den Erlebnissen der Flüchtlinge erfahren. Reuters
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International «Europas Politik der Abschreckung führt in die Katastrophe»

Die Flüchtlingspolitik der EU ist gescheitert. So sieht es die Hilfsorganisation Médecins sans Frontières. In ihrem neuesten Bericht stellt sie klare Forderungen an die Politik. Welche das sind, erklärt Franz Luef, Migrationsexperte bei MSF in Wien.

SRF News: Viele Flüchtlinge, die den Weg nach Europa auf sich nehmen, haben bereits traumatische Erlebnisse hinter sich. Was sie aber teilweise auf der Flucht erleben, ist grauenhaft. Dokumentiert der MSF-, Link öffnet in einem neuen Fensterim Browser öffnenBericht, Link öffnet in einem neuen Fensterim Browser öffnen nur die schlimmsten Fälle?

Franz Luef: Nein, das ist der Grundtenor. Wir haben all diese Zeugenaussagen im Rahmen unserer Projekte, unserer medizinischen Versorgung, festgehalten. Und wir mussten leider feststellen, welchen Hindernissen und welcher Gewalt sie entlang den Routen ausgesetzt sind.

In Ihrem Bericht heisst es, die Politik der Abschreckung sei falsch. Was meinen Sie genau damit?

Wenn man die Politik der Europäischen Union und ihrer Mitgliedstaaten betrachtet, sitzt sie dem Irrglauben auf, solange man die Attraktivität Europas verringert, werden weniger Menschen hierher kommen. Das stimmt nicht.

Solange es in den Herkunftsländern Krieg gibt, wie in Afghanistan, Syrien und Irak, werden sich diese Menschen auf den Weg in eine bessere Zukunft machen. Diese Abschreckungspolitik führt nur dazu, dass die medizinisch-humanitäre Versorgung der Flüchtlinge bewusst einer medizinisch-humanitären Katastrophe zugeführt wird.

Was verlangen Sie stattdessen von Europa – und von der EU?

Wir verlangen, dass an den EU-Aussengrenzen schleunigst Möglichkeiten geschaffen werden, um Asyl anzusuchen; insbesondere auch an der Grenze zwischen der Türkei und Griechenland. Dies, um den Menschen auf der Flucht die sehr gefährliche Reise in den ganz kleinen Booten über das Mittelmeer zu ersparen.

Weiter fordern wir auch, dass es legale Möglichkeiten gibt, sich innerhalb Europas zu bewegen – natürlich mit Kontrollen. Aber so, dass es legale Wege gibt für Menschen, die in einem bestimmten Land in Europa um Asyl ersuchen möchten, ohne dass sie in die Hände von Menschenschmugglern gedrängt werden.

Audio
Ist Europas Flüchtlingspolitik «katastrophal gescheitert»?
aus Rendez-vous vom 19.01.2016.
abspielen. Laufzeit 6 Minuten 49 Sekunden.

Die Stimmung in Europa scheint zu kippen. Österreich droht mit einer Grenzschliessung. Ist dies ein weiterer Beleg für Sie, dass die europäische Flüchtlingspolitik versagt?

Natürlich. Man versucht, wiederum auf dem Rücken der Menschen auf der Flucht, Druck auszuüben, weil offenbar der Dialog und die Solidarität unter den Mitgliedstaaten der EU nicht gegeben sind; beziehungsweise weil man auch nicht gewillt ist, zu einem Konsens zu gelangen. Diese Aufgabe kann aber nicht von einigen wenigen Ländern getragen werden. Das heisst, wir sehen uns als medizinische Hilfsorganisation mehr in der Rolle als Sprecher für all jene Menschen auf der Flucht und nicht darin, einen Vorschlag zur Lösung der Krise zu geben. Wir sind, entlang unserer gesamten Projekte, Zeuge der Auswirkungen von Europas Politik der Abschreckung.

Sie waren selber schon in Krisengebieten im Einsatz. Was geht Ihnen durch den Kopf, wenn Sie den Bericht von Médecins sans Frontières lesen?

Wut, Ohnmacht, Kurzsichtigkeit, Unwillen. Wenn man gesehen hat, wie die Lage vor Ort in Syrien, aber auch in Afghanistan, Jemen, Somalia und der Zentralafrikanischen Republik ist, müsste und sollte man verstehen, warum jene Menschen sich ein besseres Leben in Sicherheit wünschen. Sich dem gegenüber zu versperren, ist mir zutiefst zuwider.

Das Gespräch führte Ivana Pribakovic.

Franz Luef

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Der Ökonom arbeitet für Médecins sans Frontières in Österreich. Er war in den letzten dreizehn Jahren in verschiedenen Krisengebieten im Einsatz, unter anderem in Syrien, Jemen, Jordanien und der Türkei.

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