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EWR in Norwegen So lebt es sich mit einem Rahmenabkommen

Die Schweiz diskutiert über das umstrittene Rahmenabkommen. Norwegen hat bereits eines, den EWR. Ein Vergleich.

Die Schweiz und das Rahmenabkommen: Der Bundesrat will beim Rahmenabkommen mit der EU nochmals über die Bücher. Die EU soll umstrittene Punkte klären. Umstrittene Punkte sind die Sicherung des Lohnschutzes, die staatlichen Beihilfen sowie die Unionsbürgerrichtlinie. «Es braucht hier eine beiderseits zufriedenstellende Lösung», so Bundesrat Cassis. Der spezielle bilaterale Weg der Schweiz müsse respektiert werden.

Norwegen und der EWR – Ausgangslage: Norwegen ist seit 1994 Mitglied des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR), gemeinsam mit Island und Liechtenstein. Durch den EWR nimmt Norwegen am Europäischen Binnenmarkt teil. Das Land ist auf der anderen Seite verpflichtet, sämtliche Rechtsakte der EU zu übernehmen, den sogenannten Acquis communautaire. An der Rechtsetzung der EU kann Norwegen allerdings nicht teilnehmen.

Norwegen und der EWR – Zufriedenheit: «In Norwegen ist man zufrieden, weil der EWR ein stabiles Rahmenabkommen ist, das seit über 20 Jahren nicht geändert werden musste. Gleichzeitig nimmt es die Integrationsdynamik der EU mit», meint SRF-Nordeuropa-Mitarbeiter Bruno Kaufmann. Wirtschaftlich sei Norwegen in dieser Zeit sehr erfolgreich gewesen. Unzufrieden sei man jedoch, weil der EWR für niemanden erste Wahl gewesen war: «Die Europa-Freunde wollen die Vollmitgliedschaft und die Gegner der EU wollen aus dem EWR wieder hinaus.»

Norwegen und der EWR – Spannungsfelder: Der EWR decke nicht alles ab, was Norwegen mache. Beispielsweise sei die Fischwirtschaft aussen vorgelassen worden, weil die Norweger Angst hatten, dass viele Fischer aus der EU kommen und die Meere leer fischen würden. Der Nachteil: «Die Veredelung des Fisches in Norwegen lohnt sich nicht.» Öl und Gas seien teilweise im EWR mit dabei. Da habe man Angst, dass ausländische Interessen Norwegen beeinflussen könnten. «Norwegen hat letztlich ein Vetorecht gegenüber Bestimmungen des EWR, genutzt hat man es aber nie», so Kaufmann.

Norwegen und der EWR – Lohnschutz: Die Diskussionen betreffend Lohnschutz gebe es in Norwegen viel weniger als in der Schweiz. «Das hat damit zu tun, dass Norwegen wegen der Öl- und Gaswirtschaft ein sehr hohes Lohnniveau hat». Man sei froh, wenn sich der Lohndruck durch die Zuwanderung von Arbeitskräften aus dem Ausland etwas abkühlen könne. Im Vergleich zur Schweiz liege Norwegen zudem nicht mitten in Europa: «Dadurch gibt es nicht viele Grenzgänger, der Druck ist viel kleiner.»

Norwegen und der EWR – Personenfreizügigkeit: Die Migrationskrise vor einigen Jahren habe man auch in Norwegen diskutiert. «Die Flüchtlinge kamen aber durch Russland nach Norwegen, das Ganze hatte somit wenig mit der EU und der Personenfreizügigkeit zu tun.» In Norwegen sei man an vielen Orten sogar froh um jeden Zuwanderer. «Ich habe kürzlich im Norden Orte besucht, wo man auch sehr viel mehr Menschen willkommen heissen würde.»

Norwegen und der EWR – Austrittsdiskussionen: «Ein Austritt ist kein Thema, weil er nicht mehrheitsfähig ist», so Kaufmann. Bereits 1972 und 1994 hatten die Norweger über einen EU-Beitritt abgestimmt. «Das waren traumatische Erfahrungen.» Aus diesem Grund führte Norwegen diesbezüglich hohe Hürden ein. «Um den EWR verlassen zu können, braucht man eine Dreiviertelmehrheit im Parlament», weiss Kaufmann.

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