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«Fake News»-Gesetz in Singapur Journalisten und Oppositionelle befürchten Maulkorb

Falsche Meldungen müssen aus dem Netz entfernt werden. Was als falsch eingestuft wird, entscheidet allein die Regierung.

Worum geht es? Mit einem Gesetz will Singapur gegen Falschmeldungen im Netz – sogenannte Fake News – vorgehen. Neu müssen Artikel entfernt werden, die von der Regierung als falsch eingestuft werden, ansonsten drohen Geldbussen oder gar Haft. «Betroffen sind einerseits objektiv falsche Nachrichten», sagt Manfred Rist, NZZ-Korrespondent in Singapur. Es sei zwar richtig, dass diese korrigiert oder entfernt werden. Andererseits gebe es auch eine grosse Anzahl an Artikeln, die sich in einem Graubereich befänden. «Dort wird es heikel, wenn die Regierung glaubt, sie wisse, was die Wahrheit ist.»

Manfred Rist

NZZ-Korrespondent

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Rist studierte Wirtschaft und arbeitete anschliessend bei einem Marktforschungs-Unternehmen, bevor er als Journalist tätig wurde. Ab 1990 war er Korrespondent der «NZZ» in Brüssel, danach Korrespondent in Singapur und Frankreich. Er berichtet auch von den Philippinen.

Was ändert sich damit? «Kritische Journalisten und Oppositionspolitiker werden sich nun dreimal überlegen müssen, ob und wie sie etwas schreiben», sagt Rist. «Bis jetzt mussten sie sich das vielleicht zweimal überlegen.»

Wie fallen die Reaktionen aus? In Singapur hat es keine Tradition, dass sich die Bevölkerung zu politischen Fragen äussert. Aber im Parlament habe es Widerstand gegeben, so Rist. «Oppositionspolitiker waren unisono gegen das Gesetz.» Auf grosse Skepsis stösst das Vorhaben auch an Universitäten, wo man sich in der freien Meinungsäusserung zusätzlich eingeschränkt fühlt.

Kritische Journalisten werden sich nun dreimal überlegen müssen, ob und wie sie etwas schreiben.
Autor: Manfred Rist NZZ-Korrespondent in Singapur

«Und selbstverständlich kommt dieses Gesetz unter Journalisten gar nicht gut an», weiss Rist. So habe zum Beispiel die Vereinigung der Auslandkorrespondenten festgehalten, dass dieses Gesetz der journalistischen Realität nicht gerecht werde. «Denn die journalistische Arbeit besteht auch darin, dass man aktuelle Entwicklungen von Anfang an verfolgt. Und am Anfang ist die Informationslage eben nicht immer klar.» Das heisst: Spekulationen oder Vermutungen gehören zum Alltag der Journalisten.

Wie steht es um die Pressefreiheit? Eine richtig freie Presse gebe es in Singapur im Grunde nicht, sagt Rist. Die meisten Zeitungen in Singapur gehören der Singapore Press Holding. Diese pflegt enge Beziehungen zur Regierungspartei. Radio und Fernsehen werden von einer staatlichen Investmentagentur betrieben und sind ebenfalls auf Regierungslinie.

Auch unter regierungsnahen Journalisten ist das Gesetz verpönt.
Autor: Manfred Rist NZZ-Korrespondent in Singapur

Doch interessanterweise habe sich die «Singapore Strait Times», eine Art Presseorgan der Regierung, gegen dieses Gesetz ausgesprochen. In einem Leitartikel warnte ein bekannter Journalist davor, das Gesetz in dieser Form anzunehmen. Er sprach sich für eine unabhängige Beschwerdeinstanz aus, die darüber entscheiden würde, ob etwas «Fake News» ist. Darauf sei die Regierung jedoch gar nicht eingegangen, so der Korrespondent weiter. «Das heisst: Auch unter regierungsnahen Journalisten ist das Gesetz verpönt.»

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