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Folgen aus dem Fall Khashoggi Was führt die Türkei im Schilde?

Ankara setzt sich mit den Ermittlungen im Fall Khashoggi mächtig in Szene. Islam-Experte Walter Posch kennt die Gründe.

Die Türkei hat in den vergangenen Jahren durch die willkürliche Verhaftung von Journalisten und mutmasslichen Regimekritikern auf sich aufmerksam gemacht. Nun steht das Land plötzlich als lupenreiner Rechtsstaat da, der ein Verbrechen an einem ausländischen Journalisten aufdeckt. Islamwissenschaftler Walter Posch beleuchtet das «Omnibalancing» am Bosporus.

Walter Posch

Islamwissenschaftler

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Walter Posch ist Iran-Experte. Er arbeitet am Institut für Friedenssicherung und Konfliktmanagement der österreichischen Landesverteidigungsakademie in Wien.

SRF News: Wie beurteilen Sie die Rolle der Türkei im Fall Khashoggi?

Walter Posch: Im Vergleich zu Saudi-Arabien ist die Türkei tatsächlich ein Rechtsstaat. Zumindest sind in der Türkei die rechtsstaatlichen Verhältnisse viel besser. Dazu kommt, dass Khasoggi nicht nur im Westen eine prominente Persönlichkeit war, sondern auch in der Türkei, wo er mit wichtigen Politikern befreundet war. Kashoggi hat einen moderaten Islam gelebt und die Türkei in ihrer Regionalpolitik auch unterstützt.

Die Türkei füttert den Westen gezielt mit Geheimdienstinformationen. Ist diese Kommunikationsstrategie glaubwürdig?

Ja, wenn Khashoggi tatsächlich im saudischen Konsulat umgebracht worden ist. Auch die Veröffentlichung von Aufnahmen, die über dessen iPhone gespeichert worden sein sollen, ist durchaus glaubwürdig. Das ist aber an sich nicht so beeindruckend.

Die Türken haben sofort erkannt, dass sie den Buhmann schnell an Saudi-Arabien weitergeben können.

Das Besondere ist, dass die Türken sofort erkannt haben, dass sie den Buhmann schnell an Saudi-Arabien weitergeben können. Damit steht die Türkei auf einmal deutlich besser da und kann das Verhältnis zu den USA verbessern. Selbst die aggressiv gegen Ankara auftretenden amerikanischen Think Tanks stellen sich ein wenig ernüchtert die Frage, was denn bei einem Verlust der Türkei passieren würde.

Wie passt das zur Ankündigung Ankaras, die Zusammenarbeit mit Iran wegen dessen Erdgas massiv zu verstärken?

Die Iraner haben fast keine Möglichkeit mehr, Erdgas zu exportieren und die Türkei braucht viel Energie. Ob irgendwann das Erdgas im östlichen Mittelmeer gross verbreitet wird, steht aber noch in den Sternen. Die Türkei ist zudem ein souveränes Land und schert sich in dem Sinne um die US-Sanktionen nicht, die eigentlich dem Geist des Nuklear-Abkommens widersprechen.

Es geht aber auch um die grosse Frage, wie es mit den Kurden weitergeht. Hier gibt es zwischen Ankara und Teheran einfach mehr Überschneidungen und gemeinsame Interessen als zwischen der Türkei und den USA.

Warum liegen sich die beiden sunnitischen Staaten Türkei und Saudi-Arabien in den Haaren?

Ich gehe nicht davon aus, dass das mit der Sunna zu tun hat. Die Saudis haben immer eine Art des politischen Islams vertreten, der eine Bürgerbeteiligung ablehnt. Die Muslimbruderschaft hingegen, als deren grosser Sponsor die Türkei aufgetreten ist, vertritt einen eher demokratischen Islam. Darüber sind sich die Türken und Saudis von vornherein in die Haare geraten. Denn die Türkei erklärte, ihre Art von Demokratie und Islam entspreche auch der Auffassung all jener, die die Muslimbrüderschaft verträten.

Was Khasoggi betrifft, so bin ich ziemlich sicher, dass es ein Bauernopfer geben wird.

Sei es in Ägypten, Jordanien oder Syrien. Da haben die Türken einen Führungsanspruch in der arabischen Welt beansprucht, der voll gegen den Iran gerichtet ist, aber aus saudischer Sicht auch gegen sie selber. Da haben sich beide Seiten in eine Feindschaft verrannt. Was Khasoggi betrifft, so bin ich ziemlich sicher, dass es ein Bauernopfer geben wird und die Türkei und Saudi-Arabien dann auch ihre Beziehungen verbessern können. Das passt gut zur Patt-Situation, in welche sich Erdogan und der neue saudische Thronfolger gebracht haben.

Mit welchen Folgen?

Die Türkei macht ein so genanntes «Omnibalancing». So dürfte es den Türken gelingen, gute Beziehungen zu allen aufzubauen inklusive USA, Iran und Saudi-Arabien. Damit kann sich die Türkei als glaubwürdiger Makler in vielen Konflikten präsentieren. Ausgehend von der problematischen Lage in Syrien, wo die gemeinsamen Interessen der verschiedenen Gruppen sehr schwach sind, aber wo alle Seiten wissen, dass sie diesen Konflikt in irgendeiner Form befrieden müssen.

Das Gespräch führte Samuel Wyss.

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