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Gemeindebehörden in Tunesien Neues Wahlgesetz will Junge und Frauen fördern

  • Erstmals seit dem Arabischen Frühling in Tunesien (2011) werden am kommenden Wochenende neue Lokalbehörden gewählt.
  • Eine neue Positionierung auf den Wahllisten bietet Chancen für Frauen und Junge.

«Allez Voter»: An einer Wand im Schulhof des Gymnasiums Ibn Rached von Gafsa in der Nähe der tunesisch-algerischen Grenze ruft ein Graffiti zum Wählen auf. Es ist eine unmissverständliche Aufforderung an die Schülerinnen und Schüler, von ihrem Wahlrecht Gebrauch zu machen, wenn sie volljährig sind.

Die Schrift an der Wand ist zwar schon verwittert, aber sie sei trotzdem hochaktuell, sagt Lehrer Ferid M’barek: «Die Mehrheit der Jungen in Tunesien fühlt sich vernachlässigt und hat den Eindruck, dass sie keine Rolle in der Politik spiele.»

Wenige Perspektiven für die Jungen

Das trifft die Gefühlslage vieler Schüler, nicht nur in Bezug auf die Politik, auch in Bezug auf die Gesellschaft. «Wir Jungen haben doch keine Chancen», sagt Mohammed. «Eine Mehrheit ist arbeitslos. Und dazu kommt der Regionalismus, unter dem wir gerade hier im Südwesten leiden.»

Schutz der Wahlrurne
Legende: Sichtschutz für die Wahlurne: Die Jungen sollen motiviert werden, ihre Wahl zu treffen. Keystone

In der Region Gafsa wird zwar Phosphat, der wichtigste Bodenschatz des Landes, abgebaut. Verarbeitet werden die Produkte aber in den Städten an der Küste. In der Region Gafsa dagegen gibt es kaum Chancen auf Arbeit.

Verjüngung der Gemeindebehörden

Schon bei den nationalen Wahlen Ende 2014 war die Stimmbeteiligung tief, vor allem unter den jungen Wahlberechtigten. Ein neues Wahlgesetz soll nun Gegensteuer geben. Es verlangt neben einer 50-Prozent-Frauenquote auch bessere Listenplätze für Junge. Spätestens auf dem dritten Platz müsste auch ein Kandidat sein, der weniger als 35-jährig ist. Diese Vorkehrungen sollen dafür sorgen, dass die Gemeindebehörden jünger werden und sich die junge Bevölkerung besser vertreten fühlt.

Dies könnte gelingen. Bereits bei der Präsentation der Wahllisten war die tunesische Öffentlichkeit überrascht: Mehr als die Hälfte aller Kandidierenden ist unter 35 Jahre alt und die Politiker hoffen, entgegen alle Prognosen, dass auch die jungen Wähler mehr mobilisiert werden.

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