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Gut für Klima und Ozonschicht Die Kälte, die aus der Ferne kommt

Je drückender die Hitze, desto grösser die Nachfrage nach Kälte. Auch in der Schweiz sind Klimaanlagen immer gefragter. Die herkömmlichen Klimageräte haben allerdings ein Problem. Sie schaden selbst dem Klima und der Ozonschicht. Eine spannende Alternative versprechen sogenannte Fernkältenetze. Kolumbien ist darin Pionier, dank Schweizer Unterstützung.

Bürogebäude
Legende: Im Maschinenraum des Fernkältekraftwerks wird 11 Grad kühles Wasser aus den Bürogebäuden in der Umgebung zu 4 Grad kaltem Wasser gemacht. Damit werden wiederum die Büros gekühlt. Klaus Ammann

Mitten in der kolumbianischen Millionenstadt Medellín. Man versteht sein eigenes Wort kaum im Maschinenraum des distrito térmico, des Fernkältekraftwerks. Hier, auf 1500 Metern über Meer, ist es immer recht warm, häufig auch heiss.

Heizungen haben die wenigsten Gebäude, aber Abkühlung ist gefragt. Deshalb wird im Maschinenraum des distrito térmico 11 Grad kühles Wasser, das aus den Bürogebäuden in der Umgebung kommt, zu 4 Grad kaltem Wasser gemacht. Damit werden dann wieder die Büros gekühlt.

Zwei Kühltechnologien und zwei Energiequellen

Elektroingineur David Amariles ist beim öffentlichen Energieversorger der Stadt (EPM) für das Projekt zuständig. Zwei unterschiedliche Technologien würden angewendet, um das Wasser zu kühlen, erklärt er. Zum einen wird mit Kompressionsmaschinen das gasförmige Kältemittel wieder flüssig gemacht. Zum anderen erreichen Absorptionskältemaschinen dasselbe Resultat mit einer Salzlösung, die das Kältemittel binden.

Amariles weist auf einen grossen Container im hinteren Teil des Maschinenraums hin. Dort steht eine Gasturbine, die rund 60 Prozent des Stroms produziert, der für den Kühlungsprozess nötig ist. Die restlichen 40 Prozent entnimmt das Kältekraftwerk dem Stromnetz. Fällt eine der beiden Quellen aus, kann die Stabilität durch die andere gewährleistet werden.

Gut fürs Klima und die Ozonschicht

Obwohl das Gas auch eine fossile Quelle ist, stosse diese zentrale Anlage fast ein Drittel weniger CO2 aus als die bisherigen vielen kleinen Klimageräte in den umliegenden Gebäuden. Und Gase, die die Ozonschicht angreifen, stosse das neue Kühlsystem überhaupt keine mehr aus. Klima-Anlagen sind in Kolumbien wie in vielen Ländern für fast 100 Prozent des Ausstosses an ozonzersetzenden Fluorkohlenwasserstoffen verantwortlich.

Maschinenraum mit Rohren und Beulern.
Legende: Ohrenbetäubender Lärm: Das Distrito Térmico sorgt aber für angenehme Temperaturen im kolumbianischen Medellín. Klaus Ammann

Aus all diesen Gründen haben solche Fernkältenetze in den Augen von Mariana Rojas, der Leiterin der Abteilung Klimawandel im kolumbianischen Umweltministerium, grosses Potential. «Für uns ist das ein wichtiger Schritt. Fernkältenetze könnten zu einer wichtigen Massnahme Kolumbiens zur Erreichung der Ziele des Klimaabkommens von Paris werden», meint die Regierungsvertreterin.

Ein Projekt mit Potential

Die Kunden des Fernkältenetzes in Medellín schonen nicht nur die Umwelt, sie sparen auch rund 20 Prozent ihrer Energiekosten. Zurzeit profitieren erst ein paar hundert Angestellte der städtischen und regionalen Verwaltung in der unmittelbaren Umgebung des Kältenetzes. Diese hat auch noch freie Kapazität. Erst 60 Prozent des Potentials würden genutzt. Und doch schreibt der Betrieb laut den Verantwortlichen bereits knapp schwarze Zahlen.

Solche Fernkältenetze seien deshalb auch in anderen Städten Kolumbiens interessant, ist Rojas überzeugt.

Am Aufbau dieser ersten Fernkältezentrale in Lateinamerika war auch das Schweizerische Staatssekretariat für Wirtschaft SECO massgeblich beteiligt. Finanziell mit einem Beitrag im einstelligen Millionenbereich, aber vor allem mit Knowhow. «Die Schweiz hat ein Interesse daran, dass ihre Partner nachhaltig wachsen. Dass sie sich gegen den Klimawandel engagieren», erklärt Dagmar Vogel. Sie ist beim SECO zuständig für Infrastrukturfinanzierung. Ausserdem könne dieses Projekt auch für Schweizer Unternehmen interessant sein.

Interessierte Schweizer Unternehmen

Schweizer Firmen schauten tatsächlich mit Interesse auf solche Projekte bestätigt Rolf Löhrer, der Leiter der technischen Kommission im Schweizerischen Verband für Kältetechnik. Aus dem Projekt könnten Lehren gezogen werden. Schliesslich sei Kühlung auch in der Schweiz ein Feld mit grossem Wachstumspotential.

Die Nachfrage nach stationären Klimaanlagen wachse jedes Jahr um zwei bis drei Prozent, sagt Löhrer. Zwar gibt es in der Schweiz bereits seit einiger Zeit auch Kältenetze, allerdings nur innerhalb von Industrie-Unternehmen.

Öffentliche Fernkältenetze wie in Medellín machten in der Schweiz aber wenig Sinn, meint Löhrer weiter: «Dazu sind unsere klimatischen Bedingungen zu unterschiedlich.» Hierzulande ist neben Kälte auch Wärme gefragt. Forschung und Entwicklung fokussieren sich in der Schweiz deshalb auf Energienetze, die beides verbinden, die Wärme und Kälte zum Beispiel aus Oberflächenwasser von Seen in Erdsondenfeldern speichern und bei Bedarf wieder abgeben.

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