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Härtere US-Sanktionen Überlebt das Atomabkommen mit dem Iran?

Am Montag kommt die zweite Welle des US-Angriffs auf das Atomabkommen mit dem Iran: weitere Sanktionen, und diesmal deutlich härtere. Es fragt sich, ob das 2015 als historisch gefeierte Abkommen daran zerbricht. Was wollen die wichtigsten Akteure – und was können sie tun?

USA: Für die Vereinigten Staaten (und für Israel) gibt es weltweit kein schlimmeres Land als den Iran. Dessen Regime soll nun mit maximalem Druck zur Räson gebracht werden. Dazu gehört, dass Washington versucht, mit direkten und indirekten Sanktionen die iranischen Ölexporte gegen null zu drücken. Ausserdem soll das Land finanziell vom Rest der Welt abgenabelt werden.

Auch die USA können nicht ernsthaft bestreiten – sie tun es aber trotzdem! –, dass der Iran die Bedingungen des Atomabkommens einhält. Das Regime unternimmt zurzeit keine Schritte mehr, um sich Atombomben zu beschaffen. Weil das so ist, hat auch US-Verteidigungsminister James Mattis dafür plädiert, am Atomvertrag von 2015 festzuhalten.

Trump
Legende: Für Donald Trump geht es eigentlich um einen Regimewechsel in Teheran. Keystone

Die US-Forderungen an den Iran reichen jedoch weit über die Atomfrage hinaus. Konkret verlangen die USA von Teheran, sofort das Raketenprogramm aufzugeben. Auch die Unterstützung radikaler Bewegungen wie der Hisbollah im Libanon und der Houthis im Jemen soll gestoppt werden. Zudem soll sich der Iran generell aus dem Libanon, aus Syrien und dem Jemen zurückziehen. Und, zumindest hinter vorgehaltener Hand, räumen Vertreter der Regierung von Donald Trump ein: Im Grunde geht es ihnen um einen Regimewechsel in Teheran. Ein Sturz des Mullah-Regimes ist das, was die USA ganz gerne sähen.

Wahrscheinlich lassen die USA so bald nicht locker. Sie wollen nicht nur selber aus dem Atomabkommen austreten, sondern auch alle anderen Länder dazu nötigen.

Gleichzeitig liegt es aber voll und ganz im amerikanischen Interesse, dass sich der Iran weiterhin an das Abkommen hält und keine Atombomben herstellt. Die USA profitieren also just von jener Vereinbarung, die sie zerstören wollen.

Europa, Kanada, Japan: Die westlichen Länder wollen, dass das Atomabkommen bestehen bleibt. Sie finden es zwar auch nicht optimal, aber weitaus besser als gar keinen Atomvertrag mit dem Iran. Sie wollen ausserdem am Iran-Geschäft festhalten. Doch das versuchen die USA mit sogenannten «Sekundärsanktionen» zu verhindern. Ergebnis: Europäische Konzerne wie Total, Siemens, Peugeot, Airbus, Maersk, aber auch hunderte von Klein- und Mittelbetrieben haben den Iran fluchtartig wieder verlassen.

Denn: So gern die Unternehmen mit dem Iran Handel treiben – noch viel wichtiger ist ihnen, weiterhin mit den USA im Geschäft zu bleiben. Wenn nicht beides geht, entscheiden sich praktisch alle für die USA. Ausser jene Firmen, die gar nicht im US-Geschäft tätig sind. Bloss: Allzu viele sind das nicht.

Logo Siemens.
Legende: Europäische Konzerne wie Siemens haben den Iran fluchtartig wieder verlassen. Keystone

Solche Firmen zumindest möchte die EU nun unterstützen, indem eine Zweckgemeinschaft zur Umgehung der US-Sanktionen geschaffen wird. Konkret: Im Iran-Geschäft würde nicht mehr mit Dollar abgerechnet und auch nicht mehr über Transaktionsplattformen wie Swift. Und nicht mehr über Banken, die auch in den USA aktiv sind. Hingegen würden beispielsweise Tauschgeschäfte gefördert.

Noch ist diese Zweckgemeinschaft aber eine leere Hülle. Das Problem: Umgehungsmechanismen, um die Druckversuche der USA ins Leere laufen zu lassen, können zwar geschaffen werden. Aber nicht von heute auf morgen. Und sie sind nicht umsonst zu haben, dürften also die Transaktionen erheblich verteuern. Europa steckt also in der Zwickmühle. Doch zumindest will man das Signal nach Teheran aussenden, dass man am Atomabkommen und am Iran-Geschäft festhält, soweit das noch möglich ist. In der Hoffnung, dass diese Zusicherung dem Iran reicht und er entsprechend weiter auf ein Nukleararsenal verzichtet.

China, Russland, Indien: Auch diese und weitere Staaten wollen am Atomabkommen festhalten. China und Indien sind gar die wichtigsten Abnehmer iranischen Öls. Die USA versuchen, auch auf sie Druck auszuüben, damit sie die US-Sanktionen übernehmen. Aber im Unterschied zu den westlichen Ländern hat Washington hier weniger Druckmittel.

Xi Jingping.
Legende: Grosse Nationen wie China sind eher bereit, Trump die Stirn zu bieten, als es die europäischen sind. Keystone

Die Unternehmen in diesen Ländern sind weniger eng verflochten mit der amerikanischen Wirtschaft als europäische Firmen. Und die Regierungen in Peking, Moskau und wohl auch in Delhi oder Ankara sind eher bereit, Trump die Stirn zu bieten, als es die europäischen sind.

Das wissen die USA, weshalb sie wohl einigen dieser Schwellenländer sogar Ausnahmen vom Ölboykott zubilligen. Die Frage ist: Wie viel Öl kann der Iran künftig noch exportieren? Je grösser die Menge, je grösser damit die Exporteinnahmen des Irans, umso wahrscheinlicher ist es, dass Teheran am Atomabkommen festhält. Denn es hat etwas davon, wenn manche Länder weiterhin mit dem Iran Geschäfte treiben.

Iran: Die USA sind wieder – nach einer kurzen Phase der Entspannung – der Feind Nummer eins für viele Iraner. Anti-amerikanische Demonstrationen locken erneut tausende Menschen auf die Strassen. Die Wiederinkraftsetzung der US-Sanktionen und die Tatsache, dass auch viele andere, vor allem westliche Länder ihre Wirtschaftsbeziehungen mit dem Iran nun nicht normalisieren können, schadet der iranischen Wirtschaft ungemein.

Rohani.
Legende: Die iranische Regierung steht unter wachsendem Druck von Hardlinern. Keystone

Der Aufschwung der letzten zwei, drei Jahre kommt zum Erliegen. Das wiederum schwächt die gemässigten Kräfte im Iran, vor allem die Regierung von Hassan Rohani, die sich für das Atomabkommen eingesetzt hat. Sie gerät unter wachsenden Druck von Hardlinern. Der dürfte noch zunehmen, je stärker die iranische Wirtschaft abschmiert. Es ist also keineswegs ausgeschlossen, dass es in Teheran zu einer Art Putsch kommt.

Allerdings nicht so, wie sich das Trump & Co. wünschen. Es dürften gewiss nicht prowestliche, liberale Kräfte sein, welche die aktuelle iranische Regierung wegputschen, sondern reaktionär-religiöse Kräfte. Innerhalb des Mullah-Regimes würden damit die Hardliner noch stärker. Das bedeutet zugleich: Von einem Verzicht auf das Raketenprogramm – oder auch nur von Verhandlungen darüber – kann keine Rede sein. Ebenso wenig davon, dass der Iran auf seine aggressive Politik im Nahen Osten verzichtet. Vielmehr dürften diese radikalen Kräfte das Programm zum Atombombenbau neu lancieren. Was hiesse: Das Atomabkommen wäre Makulatur und der Iran wohl innerhalb weniger Jahre eine Atommacht.

Schlussfolgerung: Das Atomabkommen wackelt, aber noch hält es. Wie lange noch, hängt entscheidend von den Machtverhältnissen im Iran ab. Wenn die aktuelle Regierung im Amt bleibt, spricht einiges dafür, dass sie sich weiter an die internationale Vereinbarung hält. Ob sich die Regierung halten kann, hängt wiederum vom wirtschaftlichen Druck ab. Je weniger es Washington gelingt, auch andere Länder zu zwingen, sich an die US-Sanktionen zu halten, umso löchriger ist das Sanktionsregime – und umso wahrscheinlicher ist es, dass die Regierung Rohani bleibt und entsprechend das Atomabkommen überlebt.

Fredy Gsteiger

Diplomatischer Korrespondent

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Fredy Gsteiger ist diplomatischer Korrespondent und stellvertretender Chefredaktor bei Radio SRF. Vor seiner Radiotätigkeit war er Auslandredaktor beim «St. Galler Tagblatt», Nahost-Redaktor und Paris-Korrespondent der «Zeit» sowie Chefredaktor der «Weltwoche».

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