Zum Inhalt springen

Idee für Syrien-Schutztruppe Nato: Am besten mal nichts tun

Da und dort gab es für die Initiative der deutschen Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer für eine Schutzzone in Nordsyrien sogar Lob.

Von Journalisten, von einzelnen Nichtregierungsorganisationen, von wenigen Politikern und sogar vom angesehenen Chef der Münchner Sicherheitskonferenz, von Wolfgang Ischinger: «Es ist gut, dass aus Deutschland endlich mal ein konkreter Vorschlag auf den Tisch gelegt wird», sagte er zum «Spiegel».

Nato-Treffen in Brüssel: Estlands Verteidigungsminister Juri Luik mit dem französischen Amtskollegen Florence Parly und der deutschen Amtskollegin Annegret Kramp-Karrenbauer.
Legende: Deutsche Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer im Gespräch mit dem estnischen Amtskollegen Juri Luik. Keystone

Endlich zeigt jemand in Europa Initiative. Und das, nachdem sich die Nato, ja der Westen insgesamt über all die Jahre im Syrienkonflikt geduckt hat. Gute Ratschläge wie «Assad muss weg» oder «Schützt die Kurden» gab es zwar, doch keine Taten. Und danach sieht es auch jetzt nicht aus.

Das Werben Kramp-Karrenbauers für ihren Vorstoss fand auf dem Nato-Verteidigungsministertreffen in Brüssel höfliche Anerkennung, aber kaum Unterstützung. Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg versprach, man werde darüber reden. Das tat man inzwischen, bloss ohne Ergebnis. Die Franzosen und andere sind sauer, weil sie von Berlin nicht vorweg konsultiert wurden.

Viele offene Fragen

Die USA finden, Deutsche, Franzosen oder Briten sollten sich durchaus in Nordsyrien für den militärischen Schutz der Zivilbevölkerung engagieren. Aber sie selber wollen nicht mitmachen. Und manche fragen: Was genau schlagen die Deutschen vor? Welche Zone? Von wie viel Soldaten geschützt? Mit welchem Mandat? Und ab wann?

Selbst wenn sich die Nato-Partnerländer enthusiastisch der deutschen Initiative anschliessen würden, blieben wesentliche Fragen ungeklärt: Liesse sich für eine solche Operation überhaupt ein Mandat der UNO bekommen? Oder würde Russland wie so oft im Sicherheitsrat ein Veto dagegen einlegen?

Andere Länder, andere Prioritäten

Klar ist: Eine Schutztruppe dürfte keine reine Nato-Operation sein – das würde Moskau nie zulassen. Es müsste ein UNO-Blauhelmeinsatz werden, mit solider Beteiligung von Soldaten aus Nato-Ländern. Doch ohne russische Zustimmung wird keine einzige westliche Kompanie in Syrien einrücken.

Nato-Verteidigungsminister in Brüssel.
Legende: Der türkische Verteidigungsminister Hulusi Akar auf dem Weg zum Gruppenfoto des Nato-Treffens in Brüssel. Keystone

Momentan aber haben die Russen, aber wohl auch die Türken, das Assad-Regime und der in Syrien ebenfalls präsente Iran kein Bedürfnis nach einem internationalen Militärengagement zum Schutz der Zivilbevölkerung.

Für sie stimmt es so, wie es ist. Sie glauben, mit dem russisch-türkischen Abkommen die Patentlösung gefunden zu haben. Ob und wie lange diese funktioniert, weiss freilich niemand.

Wiederaufbau als Chance?

Einzig eine Überlegung könnte sie Russen zum Umdenken bewegen. Nämlich wenn sich die Europäer in Syrien mit Schutztruppen engagierten, würden sie sich wohl auch verpflichtet fühlen, zum Wiederaufbau des zerstörten Landes massiv beizutragen.

Denn dieser überfordert die Russen und erst recht das Assad-Regime, die Türken und die Iraner. Westliche Milliarden wäre also sehr gefragt. Am liebsten aber ohne westlichen Einfluss. Europäisches Engagement zu russischen Bedingungen – ob die Europäer das wollen?

Vielleicht später

Im Moment erübrigt sich die Frage, denn sie machen deutlich: Sie wollen nicht. Jedenfalls nicht jetzt, nicht konkret. Was nicht heisst, dass eine internationale Schutztruppe für Syrien auf Dauer keine Chance hat.

Vielleicht machen die Umstände sie doch irgendwann möglich. Oder nötig. Bloss: nicht jetzt. Damit bleibt der Westen im Krisenraum Syrien das, was er schon seit Jahren ist: eine «Quantité négligeable».

Fredy Gsteiger

Diplomatischer Korrespondent

Personen-Box aufklappen Personen-Box zuklappen

Fredy Gsteiger ist diplomatischer Korrespondent und stellvertretender Chefredaktor bei Radio SRF. Vor seiner Radiotätigkeit war er Auslandredaktor beim «St. Galler Tagblatt», Nahost-Redaktor und Paris-Korrespondent der «Zeit» sowie Chefredaktor der «Weltwoche».

Hier finden Sie weitere Artikel von Fredy Gsteiger und Informationen zu seiner Person.

Meistgelesene Artikel