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Impeachment gegen Trump Pelosi hatte keine andere Wahl

Sechs grosse US-Flaggen umrahmen Nancy Pelosi bei ihrer heutigen Ansprache, eine weitere prangt als grosse Brosche auf ihrem Blazer. Auch inhaltlich strotzt ihr Auftritt nur so vor Patriotismus. Ihr Herz sei voller Liebe für Amerika, sagt sie, und beschwört mehrmals die Gründerväter des Landes. Dieser Pathos ist kein Zufall.

Pelosi will damit deutlich machen, das Amtsenthebungsverfahren sei patriotische Pflicht: Liesse man Trumps Verfehlungen ungesühnt, wäre die US-Demokratie in Gefahr. Unbedingt wollen die Demokraten verhindern, dass das Impeachment von der Wählerschaft als einseitiges politisches Ränkespiel angesehen wird. So erging es damals den Republikanern, als sie Bill Clinton vornehmlich wegen der Lüge zu einer Affäre des Amtes entheben wollten.

Erklärungsbedarf der Demokraten

Ein Amtsenthebungsverfahren ist primär ein politischer Prozess, nur bedingt ein juristischer. Volkes Meinung wird entscheiden, wie der Senat schlussendlich über Trumps Taten richten wird. Noch konnten die Demokraten den PR-Kampf um die Wertung von Trumps Handeln nicht für sich entscheiden. Pelosi hatte das wohl erwartet. Deshalb sträubte sie sich lange gegen ein Amtsenthebungsverfahren.

Der bisherige Verlauf der Untersuchungen liess ihr aber keine andere Wahl. Top-Diplomaten und andere Zeugen bestätigten in den Hearings fast ausnahmslos, was ohnehin schon weitgehend klar war: Trump wollte die Ukraine einspannen, um seinen politischen Konkurrenten Biden anzuschwärzen. Nun müssen die Demokraten der breiten Bevölkerung erklären, weshalb sie das als Machtmissbrauch ansehen.

Wechselwähler im Fokus

Die Republikaner wissen derweil ihre Parteibasis nach wie vor hinter sich. In konservativen Medien wird das Verfahren genau so dargestellt, wie es Pelosi befürchtet hatte: Als Rachefeldzug der Demokraten gegen einen unliebsamen Präsidenten.

Trumps treue Fanbasis werden Pelosi und Co. kaum überzeugen können. Entscheidend könnte aber sein, wie Wechselwähler in der Mitte reagieren. In den nächsten Wochen stehen dramatische Schritte an – die formale Impeachment-Anklage eines Präsidenten, ein Prozess im Senat. Die Demokraten werden mit allen Mitteln versuchen, zumindest die Mitte-Wähler von ihren Argumenten zu überzeugen. Grosse US-Flaggen im Hintergrund können dabei nicht schaden.

Thomas von Grünigen

USA-Korrespondent, SRF

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Thomas von Grünigen ist seit Januar 2015 SRF-Korrespondent in New York. Zuvor arbeitete er in der «Rundschau»-Redaktion von SRF. Seine ersten Schritte im Journalismus machte er beim US-Sender ABC News und beim Lokalsender TeleBärn. Er hat an den Universitäten Freiburg und Bern sowie an der American University in Washington DC Medienwissenschaft, Journalistik und Anglistik studiert.

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