Carlisle ist eine alte Stadt, nicht nur an Jahren. Im einstigen Römerkastell an der Grenze zu Schottland leben überdurchschnittlich viele ältere Menschen. Viele sind Rückkehrer, die nach einem harten Arbeitsleben in London oder im Ausland in ihre beschauliche Heimatstadt zurückzogen.
Sie wählen konservativ, geniessen das ruhige Leben, sitzen in der Fussgängerzone bei einem Tee und glauben, dass es früher besser war. Und sie gehen abstimmen – für den Austritt aus der EU.
Die EU ist ein elitärer Club, der keine Ahnung hat, wie die normalen Menschen leben.
Die Welt sei doch viel grösser als nur Europa, meint Brian, während Barbara die Abstimmung für eine Abrechnung mit den Politikern in London und dem undemokratischen Brüssel nutzt: «Heute ist die Gelegenheit, sich Gehör zu verschaffen. Für mehr Unabhängigkeit und Demokratie.»
Fast alle Befragten im Abstimmungslokal Saint Aidan Church wollen mit der EU brechen. Die EU sei bloss ein elitärer Club, der keine Ahnung habe, wie die normalen Menschen lebten, sagt Terry.
Dieser zugegebenermassen zufällige «Exit poll» in Carlisle bestätigt, was die lokale Zeitung «News and Star» berichtete: 76 Prozent der Stimmberechtigen in der Grafschaft Cumbria unterstützten einen EU-Austritt. Dies trotz der Warnungen der regionalen Politiker. Immerhin haben sich alle sechs Parlamentsmitglieder aus Cumbria – Konservative, Labour und Liberaldemokraten – für einen Verbleib in der EU ausgesprochen. Grösser könnte die Kluft zwischen Bürgern und Politikern nicht sein.
«In or Out» im Kindergarten
Übrigens stimmten heute im Yewdale-Kindergarten von Carlisle auch die Drei- bis Sechsjährigen über «In or Out» ab – mit richtigen Urnen und Abstimmungszetteln. Noch ist nicht ausgezählt, aber man ahne schon, wie das Resultat ausfallen könnte, sagen die verantwortlichen Hortleiter. Sie hatten zum Jux die Kinder darüber abstimmen lassen, ob sie ab morgen lieber draussen oder drinnen spielen wollten.