SRF News: Was hat diese Annäherungspolitik bisher im Iran bewirkt?
Ali Fathollah-Nejad: Zunächst muss man darauf hinweisen, dass ich seit ungefähr zehn Jahren für eine diplomatische Lösung des Atomstreits plädiert habe. Ich finde die Richtung, die eingeschlagen worden ist, durchaus richtig. Ob das Motto Wandel durch Handel die erwünschten Früchte gebracht hat, muss man aber anschauen. Die Fakten sprechen eine andere Sprache: Ökonomisch gesehen haben sich die Eliten bereichert. Das ist nicht verwunderlich, da die politische Ökonomie zuvorderst in den Händen des Staates liegt. Zufriedenstellend ist es aber auch nicht. Man sollte an der derzeitigen Politik festhalten, sie aber leicht modifizieren, damit auch die gewünschten Resultate herauskommen.
Für die Elite des Irans spielt Europa eine sehr wichtige Rolle.
Wie sollte man das tun?
Man müsste zum Einen in der Aussenpolitik Entwicklungspolitik mitdenken. Das bedeutet, dass man genau darauf schaut, wie die sozioökonomische Situation eines Ziellandes sich entwickelt. Auf der anderen Seite müsste man ernsthaft darüber nachdenken, politische Konditionalitäten zu integrieren. Das bedeutet, dass man eine Vertiefung der Wirtschaftsbeziehungen an iranische Kurskorrekturen im Inneren und der Regionalpolitik koppelt.
Können Sie das präzisieren?
Europa und vor allem Deutschland haben eine gute Stellung, weil sie enge politische Beziehungen zum Iran führen. Dieses politische Gewicht könnte man stärker einsetzen als bisher, indem man eine Vertiefung der Wirtschaftsbeziehungen an iranische Kurskorrekturen koppeln würde. Für die Elite des Irans spielt Europa eine sehr wichtige Rolle. Es ist nicht nur wirtschaftlich die wichtigste, sondern auch bei der Aufwertung auf dem internationalen Parkett. Europa könnte sein Gewicht in die Wagschale werfen.
Was halten Sie von der Strategie der USA, dem Verschärfen der Sanktionen?
Ich halte sie für absolut falsch. In der Bush-Cheney-Ära hat der Westen etwas betrieben, was in diplomatischen Studien als Zwangs-Diplomatie bezeichnet wird – also permanente Kriegsdrohungen und lähmende Sanktionen. In diesem Jahrzehnt haben wir gesehen, dass der autoritäre Staat dadurch gestärkt wurde und zivilgesellschaftliche Räume eingeschränkt wurden. Das Regime hat die Kosten der Druck-Szenarien von aussen auf die Bevölkerung ausgelagert.
Ein Land kann nicht politisch stabil sein, ohne die Menschen mitzunehmen.
Wie kann man es erreichen, dass die Unter- und Mittelschicht vom Handel profitiert?
Um eine Nachhaltige Politik in einem wichtigen Land wie dem Iran zu führen, muss man darauf schauen, dass die Sozioökonomische Situation in diesem Land nicht den Bach heruntergeht. Ein Land kann nicht politisch stabil sein, ohne die Menschen mitzunehmen. Man muss genau hinschauen, mit wem man Geschäfte macht. Und ob man die Möglichkeit hat, nicht nur mit jenen zu geschäften, die Teil des Regimes sind.
Der Iran hat eine aggressive Regionalpolitik. Soll sich Europa heraushalten oder sich aktiv einmischen?
Insgesamt muss Europa eine Politik der gleichsam kritischen Distanz zum Iran, aber auch zu Saudi-Arabien führen. Iran ist sicher nicht der einzige problematische Akteur in Westasien. Man muss beiden Seiten klarmachen, dass sie politische Kurskorrekturen einleiten müssten. Europa könnte durchaus so eine Politik wagen. Es ist für beide Akteure durchaus wichtig.
Das Gespräch führte Samuel Wyss.