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Irans Eingeständnis «Kommunikationsdefekt» führte offenbar zum Abschuss des Fliegers

  • Das bei Teheran abgestürzte ukrainische Passagierflugzeug ist unabsichtlich von Iran abgeschossen worden. Das meldet das iranische Staatsfernsehen.
  • «Menschliches Versagen» ist demnach für den Abschuss verantwortlich. Ein Defekt im militärischen Kommunikationssystem habe zu dem Abschuss geführt.
  • Irans Revolutionsgarden übernehmen nach Angaben ihres Luftwaffenchefs Amirali Hadschisadeh die volle Verantwortung für das Unglück.

Zum Hergang erklärte ein Kommandant der iranischen Revolutionsgarde, die ukrainische Passagiermaschine habe sich am Mittwoch einer strategisch wichtigen Militäranlage genähert, sei versehentlich als feindlicher Marschflugkörper eingestuft und schliesslich abgeschossen worden.

Nach Angaben des Militärs gab es an dem Unglückstag mehrere US-Drohungen, iranische Ziele anzugreifen. Daher habe «höchste Alarmbereitschaft» geherrscht.

Ich wünschte, ich könnte sterben und hätte nicht Zeuge eines solchen Unglücks sein müssen.
Autor: Amir Ali Hadschisadeh Luftwaffenchef der Revolutionsgarden

Der Luftwaffenchef der Revolutionsgarden, Amir Ali Hadschisadeh, erklärte den Abschuss im iranischen Staatsfernsehen mit einer Verwechslung. Die Maschine sei für einen Marschflugkörper gehalten worden und daraufhin mit einer Kurzstreckenrakete abgeschossen worden.

Luftwaffenchef Hadschisadeh bei einer Pressekonferenz im September 2019.
Legende: Luftwaffenchef Hadschisadeh bedauert den versehentlichen Abschuss der Passagiermaschine. (Archivbild: September 2019) Keystone / Archiv

Laut Hadschisadeh wollte der zuständige Offizier der Zentrale die Gefahr melden, aber genau zu dem Zeitpunkt habe es einen Defekt im Kommunikationssystem gegeben - was aber keine Rechtfertigung sei. Der Offizier hatte laut Hadschisade dann nur wenige Sekunden zu entscheiden, ob er eine Luftabwehrrakete abfeuert oder nicht. «Und leider tat er es, was dann zu dem Unglück führte», sagte der Kommandant.

Verantwortlicher wird vor Militärgericht gestellt

Der Luftwaffenchef übernahm im Namen der Revolutionsgarden die volle Verantwortung für den Flugzeugabsturz. «Ich wünschte, ich könnte sterben und hätte nicht Zeuge eines solchen Unglücks sein müssen.»

In der iranischen Pressemitteilung hiess es weiter, der für den Abschuss Verantwortliche werde vor ein Militärgericht gestellt. Die Streitkräfte entschuldigten sich bei den Opferfamilien und versprachen, solch ein «Fehler» werde nicht mehr vorkommen.

Iran veröffentlicht erste Ermittlungsergebnisse

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Die iranischen Streitkräfte haben in einer Mitteilung die ersten Ermittlungsergebnisse veröffentlicht:

  1. Die iranischen Streitkräfte befanden sich in höchster Alarmbereitschaft, nachdem sie von US-Soldaten genutzte Militärstützpunkte im Irak angegriffen hatten. Zudem habe es «Drohungen vom kriminellen amerikanischen Präsidenten und militärischen Befehlshabern» gegeben.
  2. Nach den iranischen Raketenangriffen seien vermehrt US-Kampfflugzeuge im Umkreis des Iran aufgestiegen. Zudem habe es Berichte über Luftziele gegeben, die Kurs auf «strategische Zentren» in der Islamischen Republik genommen hätten. Mehrere Ziele seien auf den Radarschirmen zu sehen gewesen.
  3. In dieser Krisensituation habe der UIA-Flug PS752 nach dem Start vom Teheraner Flughafen Imam Khomeini gedreht und sei einer «geheimen Militäreinrichtung» der Revolutionsgarden nahe gekommen. Er habe wie ein «feindliches Ziel» gewirkt. Wegen «menschlichen Versagens» sei das Flugzeug getroffen worden, was «unglücklicherweise zum Märtyrertod von zahlreichen unserer geliebten Landsleute führte und zum Tod einer Reihe ausländischer Staatsbürger».
  4. Die Streitkräfte bekunden den Angehörigen der Opfer ihr «Mitgefühl» und versichern, Änderungen an den Arbeitsabläufen würden «eine Wiederholung eines solchen Fehlers unmöglich» machen. Der Verantwortliche solle umgehend der Militärjustiz überstellt werden.
  5. Abschliessend werden die «fraglichen Vertreter der Revolutionsgarden» aufgefordert, «der ehrenwerten Bevölkerung so bald wie möglich ausführliche Erklärungen in den staatlichen Medien zu liefern».

Öffentliches Eingeständnis

Zuvor hatte der Iran tagelang einen Abschuss vehement bestritten und erklärt, ein technischer Defekt sei die Ursache gewesen. Unter den Absturzopfern waren unter anderen 57 Kanadier.

Präsident Hassan Rohani äusserte heute mehrfach sein Bedauern und versprach eine gründliche Untersuchung: «Dieser unverzeihliche Vorfall muss juristisch konsequent verfolgt werden.» Die Familien der Opfer sollten entschädigt werden.

Der Abschuss sei eine «grosse Tragödie und ein unverzeihlicher Fehler», schrieb der iranische Präsident Hassan Rohani zunächst auf Twitter.

Teilschuld der USA

Aussenminister Mohammed Dschawad Sarif schrieb auf Twitter von einem «traurigen Tag». Er entschuldigte sich bei den Familien der Opfer und der iranischen Bevölkerung. Weiter schrieb er: «Menschliches Versagen in Krisenzeiten, vom Abenteurertum der USA verursacht, hat zu diesem Desaster geführt.»

Die Boeing 737 stürzte am Mittwoch beim Start in Teheran ab. Das Flugzeug war auf dem Weg in die ukrainische Hauptstadt Kiew. Alle 176 Menschen an Bord kamen ums Leben.

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