Die Verhaftung der Instagram-Influencerin Sahar Tabar in Iran sei bloss ein Beispiel von vielen: Die Hardliner in der Islamischen Republik seien daran, die Schraube anzuziehen, sagt die ARD-Büroleiterin in Teheran, Natalie Amiri.
SRF News: Worum geht es im Fall Sahar Tabar?
Natalie Amiri: Es ist wohl Zufall, dass jetzt gerade sie verhaftet wurde. Der Islamischen Republik gefiel nicht, welchen Einfluss Tabar mit ihren zig-tausend Followern gewonnen hatte.
Viele Influencer werden eingeschüchtert. Ihnen wird mit Gefängnis gedroht.
In den vergangenen Monaten wurden auch andere Influencer in Iran mit jeweils tausenden Followern eingeschüchtert. Sie wurden von den Behörden vor die Wahl gestellt, entweder mit den Instagram-Posts aufzuhören oder zu einer Gefängnisstrafe verurteilt zu werden.
Weshalb das harte Durchgreifen der iranischen Behörden?
Instagram ist in Iran eine sehr beliebte Plattform, auf der private Personen ein modernes, offenes, freies Leben darstellen. Ein solches Leben will die Islamische Republik nicht präsentiert haben.
Ist Instagram auch wirtschaftlich wichtig in Iran?
80 Prozent der iranischen Wirtschaft sind staatlich dominiert. Den restlichen 20 Prozent Privatwirtschaft bietet Instagram eine neue Möglichkeit, Geld zu verdienen. Durch die Plattform werden verschiedenste Jobs generiert. Deshalb konnten die Behörden Instagram bislang auch nicht komplett blockieren, obschon das immer wieder im Gespräch war.
Auch die iranische Regierung macht auf Instagram für sich Werbung.
Zudem macht auch die iranische Regierung auf Instagram für sich selber Werbung. Durch Einschüchterung der Influencer versucht die Islamische Republik jetzt, eine Art islamisches Instagram zu schaffen, in dem die modernen Aspekte nicht mehr auftauchen.
Wie hat die iranische Bevölkerung auf die Verhaftung Tabars reagiert?
In Iran gibt es seit Monaten Verhaftungen: Menschenrechtsaktivistinnen, Influencer oder Sportlerinnen, die sich für Frauenrechte einsetzen, werden unter Druck gesetzt. Die Hardliner in der Islamischen Republik haben seit der Kündigung des Atomabkommens durch die USA die Überhand gewonnen.
Die Hardliner haben die Überhand gewonnen.
Die im Vergleich zu den Klerikern reformorientiertere Regierung von Präsident Hassan Rohani hat keine Argumente mehr, wieso man sich noch an den Westen halten sollte.
Präsident Rohani hat in der Vergangenheit die von den Hardlinern forcierte Internetzensur wiederholt kritisiert. Steht er auf verlorenem Posten?
Rohani hat im iranischen Staatsapparat nicht viel Macht. Gegen eine ultrakonservative Justiz, den Revolutionsführer Ajatollah Ali Chamenei und die Revolutionsgarde kommt Rohani nicht an. Zwar ist es ihm bislang gelungen zu verhindern, dass Instagram in Iran abgeschaltet wird. Doch die Revolutionswächter haben mit den Einschüchterungen einen anderen Weg gefunden, die Inhalte der Influencer einzudämmen.
Vieles weist derzeit in eine ultrakonservative Richtung.
Was passiert mit jenen Personen, die aus den geschilderten Gründen verhaftet wurden?
Sichere Angaben dazu gibt es keine – aber man kann es sich denken. Jahrelange Gefängnisstrafen sind üblich. So wurde die bekannteste Menschen- und Frauenrechtsaktivistin Irans, die Anwältin Nasrin Sotoudeh, kürzlich zu 33 Jahren Haft und 148 Peitschenhieben verurteilt. Teilweise werden die Betroffenen verhaftet und ohne Anwalt verurteilt. Oder die Anwälte werden von den Verhandlungen ausgeschlossen. Derzeit passiert in Iran einiges, das in eine ultrakonservative Richtung führt – und nicht in Richtung einer gesellschaftlichen Öffnung, wie sich das viele Iranerinnen und Iraner im Zuge des Atomabkommens gewünscht hatten.
Das Gespräch führte Silvan Zemp.