Worum geht es? In den vergangenen zwei Tagen sind auf den spanischen Balearen 19 Boote mit rund 360 Migrantinnen und Migranten angekommen. Das berichten die Behörden. Die regionale Regierungschefin Marga Prohens forderte die spanische Regierung daraufhin auf, die Grenzen besser zu schützen.
Verschiebt sich die Mittelmeerroute? Frontex, die Europäische Agentur für die Grenz- und Küstenwache, sieht Anzeichen für eine Verschiebung der Mittelmeerroute. Die westliche Mittelmeerroute führt hauptsächlich von Algerien nach Spanien. Sie ist laut Frontex die am schnellsten wachsende Migrationsroute in die Europäische Union. Die Zahl der Ankünfte auf diesem Weg stieg von Januar bis Oktober im Jahresvergleich um 27 Prozent, während die Gesamtzahl der Ankünfte in der EU um 22 Prozent zurückging. Die aktuellen Zahlen sind im Vergleich zu vergangenen Jahren niedrig, es kommt aber weiterhin zu vielen Todesfällen.
Warum nutzen Schleuser zunehmend Algerien als Ausgangspunkt? Die Kontrollen in Algerien sind laut Frontex-Sprecher Chris Borowski weniger streng. Zudem setzten sie schnellere Boote ein. Die Balearen seien dabei ihr Hauptziel.
Warum erschweren politische Spannungen die Lage? Seit 2022 sind die Beziehungen zwischen Spanien und Algerien belastet. Grund ist Spaniens Unterstützung der marokkanischen Position im Westsahara-Konflikt. Damals hatte Madrid die Regierung in Algier verärgert, indem es sich der Position Marokkos im Streit um die Westsahara anschloss. Algerien nimmt seitdem weniger aus Spanien abgeschobene Migranten zurück, wie es aus dem spanischen Innenministerium hiess.
Wie reagieren die Balearen auf die steigenden Ankünfte? Erste Notunterkünfte existieren auf Ibiza und Formentera, weitere entstehen auf Mallorca. Die meisten Erwachsenen werden später per Fähre aufs spanische Festland gebracht. Manche von ihnen würden jedoch gar keinen Asylantrag stellen, weil es ohnehin kaum Rückführungen in Länder südlich der Sahara gäbe, erklärt Migrationsexperte Gerald Knaus.
Fehlt es an einer europäischen Strategie? Knaus kritisiert, dass die EU keine Mechanismen habe, die die Überfahrten unattraktiv mache. «Wer es schafft, der bleibt fast immer in Spanien und dann in der Europäischen Union», sagt der Gründer und Vorsitzende des Thinktanks European Stability Initiative. Er fordert «humane Kontrollen» und Einigungen mit sicheren Drittstaaten: Asylverfahren mit geordneten Aufnahmeprogrammen sollen dort stattfinden.