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Islamistischer Terrorismus Hintermann der Anschläge auf Bali kommt aus dem Gefängnis

Der mutmassliche Kopf hinter den Anschlägen auf Bali ist wieder frei: Wie viel Einfluss hat Abu Bakar Bashir noch?

Noch vor dem Morgengrauen, um 5.30 Uhr, verliess der 82-jährige Abu Bakar Bashir ganz in Weiss gekleidet das Gefängnis. Sein Sohn, sein Arzt und sein Anwalt erwarteten ihn bereits. Abu Bakar Bashir habe verschwinden wollen, bevor sich Menschenansammlungen vor dem Gefängnis bilden würden, sagte sein Anwalt in einer Medienmitteilung.

Spiritueller Führer der Terror-Organisation

Der einflussreiche Prediger war der spirituelle Führer der Terrorgruppe Jamaa Islamiya, als diese 2002 die blutigen Bombenanschläge auf Bali verübte. Er pflegte enge Kontakte zu den Drahtziehern. Drei von ihnen wurden später zum Tode verurteilt und hingerichtet. Bashir aber, der immer wieder als Mastermind hinter den Anschlägen bezeichnet wurde, kam nur kurz ins Gefängnis.

Er beharrte auf seiner Unschuld, und Beweise für seine direkte Beteiligung an den Anschlägen fand die Justiz nie. 2011 kam er dann trotzdem noch ins Gefängnis, nicht wegen der Anschläge auf Bali, sondern weil er islamistische Terroristen in der Provinz Aceh unterstützt hatte. Dafür wurde er zu 15 Jahren Haft verurteilt.

Wegen guter Führung vorzeitig entlassen

Nach fast zehn Jahren Haft wurde der greise und gebrechliche Kleriker nun frühzeitig wegen guter Führung aus dem Gefängnis entlassen. In Australien stiess dieser Entscheid auf Unmut, auch bei der Australierin Sandra Thompson. Bei den Anschlägen auf Bali hatten 88 Australier ihr Leben verloren, Thompsons Sohn war einer von ihnen.

Dem australischen Nachrichtensender ABC sagte die Mutter, Abu Bakar Bashir habe es nicht verdient, frei zu sein: «Er besitzt noch immer viel Einfluss und kann wieder Leute ausbilden, die einen ähnlichen Anschlag durchführen könnten. Davor fürchte ich mich.» Laut den indonesischen Behörden soll Bashir jedoch auch nach seiner Entlassung genau überwacht und zuerst in ein Entradikalisierungslager geschickt werden.

Die Terrorismusexpertin Sidney Jones bezweifelt zudem, dass der alte Mann noch grossen Einfluss besitzt, wie sie ABC sagte: «Er wird sicher viele Besucher haben, die seinen Rat suchen, aber ich glaube nicht, dass er noch eine Gefahr darstellt. Heute gibt es andere, jüngere Leute, die charismatischer sind als er und extremer.»

Predigen will er weiterhin

Indonesien ist bevölkerungsmässig die weltweit grösste muslimische Nation. Die meisten Indonesierinnen und Indonesier vertreten einen moderaten Islam. Nach dem Fall von Diktator Suharto 1998 gab es mehr Freiheiten im Land. Damit konnten sich jedoch auch radikale Strömungen wie die Jamaa Islamiya, die von al-Kaida inspiriert wurde, und Prediger wie Abu Bakar Bashir etablieren.

Sie haben immer wieder Terroranschläge verübt oder dazu angestachelt. Heute hätten einzelne, radikale Kleriker jedoch einen weniger grossen Einfluss als früher. Rekrutiert und inspiriert würden jetzt viele übers Internet und die sozialen Medien und radikale Islamisten agierten oft in kleinen Zellen statt grossen Organisationen, sagt Terrorismusexpertin Sidney Jones.

Abu Bakar Bashir schwor 2014, als er bereits im Gefängnis sass, der Terrorgruppe Islamischer Staat seine Treue. Nach seiner Entlassung hat bereits angekündigt, er wolle weiterhin predigen.

Rendez-vous, 08.01.2021, 12:30 Uhr

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