Israel ist das Land, das wohl am besten auf die Abwehr von Cyberattacken vorbereitet ist. Das ist nicht zuletzt das Verdienst von Rami Efrati. Auch wenn sich die Bedrohungslage in der Schweiz kaum mit derjenigen Israels vergleichen lässt: Israels «Mr. Cyber» empfiehlt der Schweiz dringend, im Kampf gegen Cyberattacken nachzurüsten.
SRF News: Israel hat die Cybersicherheit seit 2003 in seiner nationalen Sicherheitsstrategie verankert. Die Schweiz hat seit 2012 eine Cyberstrategie.
Ich glaube, Sie haben ein wenig spät damit angefangen. Aber: Der Cyberkampf geht immer weiter.
Warum gilt Israel als eines der fortgeschrittensten Länder, was die Abwehr von Cyberattacken angeht?
Die Menschen in Israel leben jeden Tag mit einer gewissen Bedrohung. Sie haben realisiert, dass die Bedrohung nicht nur von Raketen kommt, sondern auch aus dem Netz. Das ist etwas, das Israel kennt: Die Gefahren voraussehen und etwas daraus machen.
Heisst das im Umkehrschluss, dass wir die Gefahr lange unterschätzt haben, weil wir uns nicht unmittelbar bedroht fühlten?
Die Schweiz ist ein einzigartiges Land. Ihr führt keinen Krieg, seid neutral, aber jeder hat ein Gewehr daheim. Die Schweiz ist aber ein reiches Land und deshalb ein interessantes Ziel. Cyberattacken werden ja nicht nur von Regierungen gegen andere Länder gestartet, sondern auch von Kriminellen. Sie schalten eine Nachricht auf Ihrem Rechner auf: Zahlen Sie, oder Sie bekommen ihre Daten nicht zurück.
So wie die öffentliche Hand dafür sorgt, dass Sie sauberes Trinkwasser haben, muss sie dafür sorgen, dass die digitale Welt sauber bleibt.
Wenn das einer Privatperson passiert, sind vielleicht Fotos oder Korrespondenz betroffen. Bei einem Spital können Erpresser dafür sorgen, dass Sie nicht mehr wissen, welche Operationen geplant sind, wie die Patienten heissen, wer dringend operiert werden muss. Stellen Sie sich vor, was bei Banken passieren kann – und ich glaube, Schweizer Banken sind ein beliebtes Ziel.
Wo herrscht bei uns Nachholbedarf?
Sie müssen unbedingt eine Cyberkultur entwickeln. Jeder sollte begreifen, dass er einen Beitrag leisten muss, um die Schweiz sicherer zu machen. Sei das ein Supermarkt, ein kleines oder grosses Spital, eine Bank. Das kostet viel Geld. Und normalerweise investiert niemand gerne viel Geld in etwas, das er nicht sehen kann.
Wenn unsere Regierung nicht grosszügig in Start-Ups investiert hätte, wären wir nicht federführend im Kampf gegen die Gefahren aus dem Cyberspace.
Das muss also die Rolle der Regierung sein: Sie muss sicherstellen, dass sie eine «Cyberhygiene» im Land haben. So wie die öffentilche Hand dafür sorgt, dass Sie sauberes Trinkwasser haben, muss sie auch dafür sorgen, dass die digitale Welt sauber bleibt. Das kostet ein Vermögen!
Sie plädieren dafür, dass die öffentliche Hand massiv in Firmen investiert, die sich mit Cybersicherheit befassen.
Wenn unsere Regierung nicht grosszügig in Start-Ups investiert hätte, wären wir nicht federführend im Kampf gegen die Gefahren aus dem Cyberspace. Auch die Schweiz muss Prioritäten setzen. Sonst wird die Forschung nicht gestützt und innovative Start-Ups müssen sich mit der Hilfe privater Investoren begnügen. Dann wird es vielleicht zwei erfolgreiche Firmen in dem Bereich geben.
Und dann wären wir gegen Cyberattacken gewappnet?
Wir haben ein nationales Bildungsprogramm, das mit zehnjährigen Kindern beginnt. Wir müssen sie nicht zu Hackern ausbilden. Aber sie müssen wissen, wie sie sich im Netz verhalten, sich zur Wehr setzen und sich schützen können. Denn diese Kinder werden einmal erwachsen und stellen dann die Bevölkerung. Zudem fokussieren wir auf die Ausbildung von Informatikern, Mathematikern und Elektro-Ingenieuren. Denn sie sorgen in Zukunft dafür, dass wir geschützt sind vor Cyberattacken.
Das Gespräch führte Nicoletta Cimmino.