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Sind sich augenscheinlich wohlgesinnt: François Hollande und Alexis Tsipras.
Legende: Sind sich augenscheinlich wohlgesinnt: François Hollande und Alexis Tsipras. Reuters
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International Ist nicht, was sie scheint: die französisch-griechische Liaison

Wenn sich derzeit die meisten europäischen Staatschefs über Tsipras ärgern, bleibt ihm wenigstens einer wohlgesinnt: François Hollande. Der französische Präsident mag so den Eindruck erwecken, dass er seine Macht inszenieren wolle. Doch das Gegenteil ist der Fall: Er will eine Schwäche kaschieren.

Nach der Volksabstimmung hat der Unmut über Alexis Tsipras unter ranghohen EU-Politikern einen neuen Höchststand erreicht. Nur einer in ihren Reihen scheint dem griechischen Ministerpräsidenten die Stange zu halten: François Hollande.

Nicht nur hat er als einziger neue Gespräche mit Athen noch vor der Volksabstimmung forciert. Ihn hat der griechische Staatschef Tsipras nach dem Referendum bezeichnenderweise auch als ersten angerufen.

Wenn sich nun Hollande scheinbar bei Tsipras anbiedert, drängt sich die Frage nach seinen Motiven auf. Will er sich etwa im Machtgefüge von Europa als neue starke Figur profilieren? Will er der bisherigen grossen Playerin in Brüssel – der deutschen Kanzlerin Merkel – den Rang ablaufen? Hat er, kurzum, für sein Verhalten aussenpolitische Gründe?

Aussenpolitische Motive für Anbiederung? Wohl kaum.

Wohl kaum, sagt Michael Gerber, SRF-Korrespondent in Paris. Denn Hollande unterscheide sich zwar insofern von anderen Staatschefs, als er nicht offen auf den Tisch klopfe. Doch sei dies grundsätzlich «mehr eine Stil- als eine inhaltliche Frage».

Hollande und Tsipras schütteln sich die Hände.
Legende: Dass Hollande Tsipras immer wieder die Hand reicht, hat vornehmlich innenpolitische Gründe. Imago

Vom Typ her sei der französische Staatschef weiter «ein Pragmatiker. Einer, der eine Politik der kleinen Schritte verfolgt.» Deshalb suche er stets – und aktuell auch mit Griechenland – den Kompromiss und wolle einen Konflikt schlicht nicht eskalieren lassen.

Die Rolle des grossen Players steht Hollande übrigens auch deswegen nicht, weil er laut Gerber ein gespaltenes Verhältnis zu Europa hat. Wenn er als Gesandter von Paris mehr Europa propagierte, würde er in Frankreich mittlerweile von links und rechts gescholten. Von links, weil die Linken die EU als wirtschaftsliberale Institution betrachten, die nur den prosperierenden Staaten nütze und andere ausbluten lasse. Von rechts, weil die Rechten über das Los ihres Landes so weit als möglich selbst bestimmen wollen.

Wirtschaftliche Motive? Nur bedingt.

Könnte Hollande stattdessen wirtschaftliche Ziele verfolgen, wenn er Tsipras nach wie vor zugetan ist? Auch diese Vermutung relativiert Gerber: Frankreich wolle sicher auch die Türe offenhalten, um das geliehene Geld nicht zu verlieren – was bei einem Staatsbankrott eintreten könnte.

Allerdings habe Frankreich nicht mehr finanzielle Anreize als Deutschland für einen Kompromiss. «Denn Deutschland hat Griechenland deutlich mehr Geld geliehen.»

Innenpolitische Motive? Auf jeden Fall.

Bliebe eine innenpolitische Erklärung für Hollandes Haltung als Möglichkeit – und eben diese macht Gerber stark: Wenn der französische Staatspräsident darauf poche, einen Ausweg zu finden, wolle er eine eigene Schlappe vergessen machen, die ihm bis heute anhänge.

In Frankreich werfe ihm die linke Opposition konkret vor, nach seinem Amtsantritt 2012 keine Neuverhandlungen des Stabilitätspaktes erreicht zu haben. Statt den Stabilitätspakt zu einem eigentlichen Wachstumspaket umzubauen, habe sich Hollande mit einem wirkungslosen Zusatzprotokoll abspeisen lassen und so ein zentrales Wahlversprechen gebrochen.

Auf die gegenwärtige Situation bezogen heisst das laut Gerber: «Mit seiner Gesprächsbereitschaft gegenüber Griechenland will er der linken Opposition in Frankreich zeigen, dass er sich für einen Wachstumskurs einsetze – und nicht ausschliesslich einen harten Sparkurs verfolgt.» Er will demnach «mit seiner aktuelle Politik in Brüssel die linke Opposition daheim in Schach halten.»

«good cop» und «bad cop»

«good cop» und «bad cop»
Wenigstens eine europapolitische Dimension hat Hollandes Liaison mit Tsipras aber durchaus. So will SRF-Korrespondent Sebastian Ramspeck in Brüssel im Habitus des Französischen Präsidenten die Haltung des sprichwörtlichen «good cop» erkennen. Da die damit verbundene Strategie aber nach dem Einsatz eines «bad cops» verlangt, kann auch in diesem Rahmen nicht vom neuen «grossen Player» Hollande die Rede sein. Selbst das scheinbar isolierte Wohlwollen gegenüber Tsipras sei, so Ramspeck, nur im Kontext eines deutsch-französischen Zusammenspiels zu begreifen: «Zwar hat Tsipras nach dem Referendum sofort mit Hollande telefoniert. Aber genau so rasch haben Deutschland und Frankreich ein neues Treffen vereinbart, um sich wieder abzustimmen.»
Zweifelsohne gäbe es zwischen den beiden Staatsschefs unterschiedliche Einschätzungen, wie der Weg aus der Griechenland-Krise auszusehen habe: Deutschland setzt auf eine strenge Spar- und Reformpolitik, um den Wiederaufschwung zu lancieren. Und in Frankreich sieht man demgegenüber einen allzu strengen Sparkurs als wirtschaftspolitischen Hemmschuh an. Aber gleichzeitig teilten Berlin und Paris Interessen: «Beide wollen», so Ramspeck, «möglichst viel von dem Geld zurück, das sie Griechenland gegeben haben. Und beide wollen grundsätzlich einen Austritt Griechenlands aus der Euro-Zone verhindern.»

Hollande hat Lektion erfahren

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2012 hat Brüssel dem damaligen Neuling François Hollande eine Lektion erteilt: Er solle, so der Tenor, seine eigenen Staatsfinanzen und seine Wirtschaftsprobleme in den Griff bekommen, bevor er grossspurig den Stabilitätspakt neu verhandeln wolle. Damit war Hollandes Versuch, ein Wahlversprechen zu halten, gescheitert.

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