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Kampf gegen Coronavirus Impfen in Nahost – nicht alle wollen

Israel ist Weltmeister beim Impfen gegen Corona. In den anderen Ländern des Nahen Ostens geht es langsamer voran.

Impfungen in Nahost: Kein Land der Erde hat bislang einen grösseren Bevölkerungsanteil gegen das Coronavirus geimpft als Israel. Auch in den Golfstaaten geht es voran – so haben etwa die Vereinigten Arabischen Emirate bereits fast gleich viele Menschen geimpft wie Israel. Geimpft wird – wenn auch in etwas langsamerem Tempo – auch in einigen ärmeren Ländern wie Jordanien. In zahlreichen weiteren Staaten der Region gehe es jedoch nur sehr schleppend voran, sagt SRF-Nahostkorrespondentin Susanne Brunner.

Grosse Unterschiede: Drei Kriterien würden darüber bestimmen, ob in einem Land des Nahen Ostens Coronaimpfungen laufen, sagt Brunner: «Geld, der Zustand des Gesundheitssystems sowie das Verhältnis der Bevölkerung zur Regierung.» Die Vertrauensfrage sei dabei der grösste Knackpunkt punkto Impfungen in der Region. Weil das Vertrauen in die Regierungen in vielen Ländern aber sehr gering sei, sei auch die Impfwilligkeit klein.

Wenig Vertrauen in die Regierung

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Legende: Reuters

Sogar in Jordanien, wo die Bevölkerung im Schnitt sehr gut ausgebildet ist, ist das Vertrauen in die Regierung klein – ebenso ist es mit der Impfwilligkeit. Laut einer kürzlich veröffentlichten Studie der University of Jordan gaben 80 Prozent der befragten Jordanierinnen und Jordanier an, der Regierung überhaupt nichts zu glauben. Auch gaben 20 Prozent der Befragten zu Protokoll, die Corona-Pandemie sei bloss eine Verschwörung. Deshalb setzt die Regierung dort auf Freiwilligkeit bei der Impfung. (brus)

Junge Bevölkerung: Die Menschen in den Ländern des Nahen Ostens sind im Schnitt viel jünger als etwa in Westeuropa. «Für die Jugend ist impfen kein dringliches Thema – sie hat viel dringendere Probleme», stellt die Korrespondentin deshalb fest. Dazu gehörten die Arbeitslosigkeit und die Armut. Die Jugendlichen würden aber ihre Eltern und Grosseltern dazu drängen, sich impfen zu lassen, weil die Generationen oft unter demselben Dach leben und die Jüngeren befürchten, die Älteren anzustecken.

Krisenländer: In manchen Ländern ist an ein Impfen derzeit gar nicht zu denken – zu tief stecken etwa Syrien oder Libanon in der Krise. «Sie sind nicht in der Lage, eine Impfkampagne zu organisieren», sagt dazu Brunner. Immerhin würden Hilfswerke versuchen, in Libanon in die Bresche zu springen. Auch Syrien soll bald mit ersten Impfdosen beliefert werden, doch die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch befürchtet, dass die Regierung jene Teile der Bevölkerung bevorzugen wird, die nach zehn Jahren Bürgerkrieg noch zu ihr hält.

Problem Religion: «Die Regierungen müssen die religiösen Führer an Bord holen, sonst geht punkto Impfung gar nichts», stellt Brunner auch fest. Das gelte sowohl in Israel für Teile der Bevölkerung als auch in den muslimischen Ländern der Region. Immerhin würden die Rabbiner in Israel und die Imame in den muslimischen Ländern inzwischen zu Impfungen aufrufen. Doch die meisten Menschen der Region müssen wohl noch länger auf eine Impfung warten.

SRF 4 News, 03.02.2021, 07.20 Uhr ; 

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