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Katalonien-Referendum Die EU hält sich raus – mit erhobenem Zeigefinger

  • Nach dem Katalonien-Plebiszit ruft die EU zur Mässigung auf. Die Streithähne indes interessiert das herzlich wenig.
  • Der Chef der Regionalregierung, Carles Puigdemont, kündigt an, vom Parlament die Unabhängigkeit ausrufen zu lassen.
  • Ministerpräsident Mariano Rajoy weigert sich weiterhin, das Referendum zu akzeptieren. Beide Kontrahenten signalisieren aber Gesprächsbereitschaft.
  • Derweil melden sich verschiedene Akteure aus der Europäischen Union. Tenor: «Wir mischen uns nicht ein, sind aber sehr besorgt.»

Der Kurs des Euro ist am Montag gesunken. Das Unabhängigkeitsreferendum in Katalonien hat die Gemeinschaftswährung belastet. Eine Hypothek, die derzeit nicht nur den Finanzsektor belastet. Während die EU und europäische Politiker in den Ländern die Eskalation in Katalonien mit wachsender Besorgnis kommentieren, bleiben die Kontrahenten in der Sache unnachgiebig.

So erklärt Spaniens Justizminister umgehend, dass die Zentralregierung in Madrid auf Basis der spanischen Verfassung eine mögliche Unabhängigkeitserklärung Kataloniens aussetzen könnte.

Er muss verhandeln, verhandeln, verhandeln.
Autor: Pedro Sánchez Generalsekretär der Oppositionspartei PSOE

Spaniens Ministerpräsident Mariano Rajoy, der eine Minderheitsregierung anführt, berief verschiedene Treffen ein, darunter vor allem mit der Opposition. Am späten Nachmittag wollte er in Madrid mit dem Generalsekretär der stärksten Oppositionskraft, der sozialistischen Partei PSOE, zusammenkommen.

Pedro Sánchez hatte bereits am Sonntag vor Medienvertretern erklärt, Rajoy müsse nun unbedingt in einen Dialog mit der katalanischen Führung treten. «Er muss verhandeln, verhandeln, verhandeln und ein Abkommen erzielen, das ist seine Verantwortung.»

Der Chef der katalonischen Regionalregierung, Carles Puigdemont, kündigte demgegenüber an, das Ergebnis dem Regionalparlament zu übermitteln, das dann die Unabhängigkeit Kataloniens ausrufen werde. In diesem Fall müsse die Europäische Union sofort handeln und dürfe nicht länger «weggucken».

Die EU im Dilemma

Zudem fordert die Regierung den Abzug der Madrid unterstehenden Nationalen Polizei und der Guardia Civil. Auch die Regionalregierung spricht sich für eine Vermittlung der Europäischen Union in dem Konflikt aus.

Die Angesprochene selbst scheint sich derweilen lieber heraushalten zu wollen. Ein Sprecher der EU-Kommission bekräftigte zwar die Verfassungswidrigkeit des Referendums, sagte aber gleichzeitig, beim Streit handle es sich um eine innerspanische Angelegenheit.

Egal wie die EU Stellung beziehe, könne sie nur verlieren, sagt SRF-Korrespondent Sebastian Ramspeck in Brüssel. «Stellt sie sich hinter Katalonien, wäre das ein Affront gegen den eigenen Mitgliedstaat Spanien und eine Missachtung der einst ebenfalls in einer Volksabstimmung angenommenen spanischen Verfassung.»

Mit der Verurteilung des Referendums setze sich die EU-Kommission auf der anderen Seite zwar dem Vorwurf aus, sich trotz Polizeigewalt gegen abstimmungswillige Bürger nicht einzumischen. «Doch aus Sicht der Europäischen Union ist es das kleinere Übel», meint Ramspeck. Auch wenn der Ärger über Rajoys hartes Durchgreifen hinter vorgehaltener Hand gross sei, da dieses die Union in eine ziemlich unmögliche Lage gebracht habe.

Der UNO-Hochkommissar für Menschenrechte fordert die spanische Regierung auf, eine unabhängige Untersuchung der Gewalt während des Referendums einzuleiten.

Der belgische Premierminister Charles Michel twitterte: «Gewalt ist keine Antwort.» Der deutsche SPD-Chef Martin Schulz schrieb bei Twitter, Madrid und Barcelona müssten «sofort deeskalieren und den Dialog suchen». Der Chef der Sozialisten im Europaparlament, Gianni Pittella, erklärte, dies sei «ein trauriger Tag für Spanien und für ganz Europa».

Kaum Einsicht in Madrid

Der Präsident der Europäischen Linken, Gregor Gysi, kritisierte das Vorgehen des spanischen Staats: «Die spanische Regierung befördert mit Gewalt das, was sie verhindern will», erklärte er. Der Chef der britischen Labour-Partei, Jeremy Corbin, warf der spanischen Polizei «schockierende Gewalt gegen die Bürger» vor.

Der spanische Ministerpräsident Mariano Rajoy rechtfertigt die Gewalt. Er hat der Polizei in einer Fernsehansprache nach Schliessung der Abstimmungslokale für ihren Einsatz gedankt. Die Polizei habe «Entschlossenheit und Klarheit» gezeigt. Der spanische Aussenminister nannte die Gewalt unglücklich, aber angemessen. Die Sicherheitskräfte müssten das Gesetz schützen, wenn dieses durch illegale Handlungen bedroht sei, sagte Alfonso Dastis.

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