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Konflikt in der Ostukraine Tausende protestieren gegen «Steinmeier-Formel»

Der Kompromiss kommt nicht bei allen Ukrainern gut an. Tatsächlich sind wesentliche Probleme des Friedensplans noch nicht gelöst.

Proteste gegen Einigung mit Moskau: Mehrere Tausend Menschen haben in der Ukraine gegen die Einigung auf einen Sonderstatus für die von Separatisten kontrollierten Gebiete im Osten des Landes demonstriert. Laut der Polizei zogen allein in Kiew mehr als 18'000 Personen in mehreren Demonstrationen durch das Zentrum zum Sitz von Präsident Wolodimir Selenski. Sie wandten sich dabei gegen die kürzlich vereinbarte «Steinmeier-Formel». Bei den Demonstranten habe es sich um «rechte bis sehr rechte Kreise» gehandelt, sagt SRF-Moskaukorrespondent David Nauer.

Das wollen die Nationalisten: «Die Gegner der ‹Steinmeier-Formel› wehren sich grundsätzlich gegen jeden Kompromiss in der Ostukraine», so Nauer. Sie sind gegen einen Truppenrückzug, gegen eine Amnestie für Separatistenkämpfer oder gegen Sonderrechte für den Donbass. In ihren Augen ist das Gebiet russisch besetzt, deshalb wollen sie den Kampf bis zum Sieg. Diese Sicht greife aber zu kurz, stellt Nauer fest: «Russland ist tatsächlich ein Aggressor – doch im Donbass gibt es durchaus auch Ukrainer, die Sympathien für die Russen und die Separatisten haben.»

Das sieht die «Steinmeier-Formel» vor: Für die Separatistengebiete in der Ostukraine sollen ab dem Tag, an dem demokratische Wahlen abgehalten werden, ein Sonderstatus in Kraft treten. Dieser soll dauerhaft gelten, sobald die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), die Wahlen als frei, fair und damit gültig eingestuft hat. Der Sonderstatus soll daraufhin auch in der ukrainischen Verfassung verankert werden.

Daran harzt der Kompromiss: Die «Steinmeier-Formel» definiert nicht, wie genau die Wahlen durchgeführt werden sollen. In den Rebellengebieten herrschen autoritäre Regime von Moskaus Gnaden, viele pro-Ukrainer sind entweder geflohen oder leben in Angst. «Die Steinmeier-Formel sagt nichts dazu, wie dieses Problem gelöst werden soll», stellt Nauer fest. Deshalb – und nicht unbedingt wegen der Proteste der rechten Kreise in Kiew – sei es noch ein sehr weiter Weg, bis die «Steinmeier-Formel» allenfalls umgesetzt werden könne.

Das könnte Selenski Probleme bereiten: Staatspräsident Selenski geniesst laut aktuellen Umfragen zwar das Vertrauen von zwei Dritteln der Bevölkerung. Tatsächlich mache der junge Präsident vieles richtig, sagt Nauer. «Er gibt sich sehr volksnah. Das lieben viele Ukrainerinnen und Ukrainer.» Problematisch könnte es für Selenski werden, wenn nicht innert nützlicher Frist Fortschritte zur Lösung des Konflikts in der Ostukraine gelängen oder er von den Separatisten oder von Putin über den Tisch gezogen werde. Vorerst allerdings sieht der Korrespondent keine Anzeichen, dass Selenski bald grössere Probleme bekommen könnte.

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