Auf dem islamischen Friedhof von Yaning im Süden von Thailand halten ein paar Männer vor zwei frisch aufgeschütteten Gräbern eine Mahnwache für Kamarudin Huseng und Sulkiflee Sueme. «Wieso waren die Märtyrer von Kugeln durchsiebt und hatten gebrochene Knochen?», fragt ein Anwesender wütend.
Die Toten sind für die Dorfbewohner Märtyrer. Für die Soldaten waren sie Terroristen, Aufständische und verantwortlich für einen Anschlag auf einen Militärposten im Januar. Die thailändische Armee hat die beiden Männer sowie drei weitere vor einer Woche erschossen.
«Merdeka, Unabhängigkeit!»
Der bewaffnete Kampf der Separatisten in den südlichen Provinzen begann vor 70 Jahren. Die Männer auf dem Friedhof stimmen den Forderungen der Separatisten zu: «Merdeka, Unabhängigkeit! Das ist die einzige mögliche Lösung, diesen Konflikt zu beenden. Denn wir wollen zwar Frieden, aber auch Gerechtigkeit. Doch diese gibt es nicht, solange wir von Thailand regiert werden», sagen die Männer. Die meisten von ihnen sind schon mindestens einmal von der Armee verhaftet und in Militärlagern verhört worden.
Bislang versuchte die Regierung in Bangkok, die Rebellen mit Gewalt in die Knie zu zwingen und das Problem kleinzureden. Eine interne Angelegenheit, ein Sicherheitsproblem, aber kein Konflikt sei das, sagt denn auch Anusart Suwanmongkol. Er besitzt das grösste Hotel in der Südprovinz Pattani, ist Senator und steht dem Könighaus und der Armee nahe. «Wenn die Situation so schlimm wäre, dann würde niemand hier leben. Wer zur Gewalt anstachelt, sind zudem nicht die Soldaten, sondern die Separatisten. Ich finde, wir sind komplett frei hier, können unsere Religion ausüben und zur Schule gehen.»
Die Zahl der Todesopfer habe zwar stetig abgenommen, der Konflikt sei jedoch längst nicht vorbei, meint Sunai Phasuk von der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch. Um diesen zu lösen, brauche es nicht mehr Gewalt, sondern eine politische Lösung.
Nach früheren gescheiterten Friedensverhandlungen ist der Menschenrechtler hinsichtlich der aktuellen Gespräche in Kuala Lumpur diesmal hoffnungsvoll: «Dieser neue Friedensdialog ist vielversprechender als alle anderen zuvor. Denn es ist das erste Mal, dass die Barisan Revolusi Nasional, BRN, die grösste und wichtigste Separatisten-Gruppe, am Tisch sitzt und von der thailändischen Regierung anerkannt wird.»
Im Dorf Yaning sitzt eine Frau auf dem Teppich ihres Hauses und streicht ihrem weinenden Sohn über den Kopf. Die Witwe weiss nichts von den Friedensgesprächen. Auch habe sie nicht gewusst, dass ihr Mann mit den Separatisten gekämpft habe, wie das die Soldaten behaupteten, sagt sie.
Ehemann und Zukunft der Kinder verloren
Vor einem Monat sei er einfach verschwunden und dann als Toter zurückgebracht worden. Was bedeutet Friede für sie? «Ein besseres Leben, ein friedlicheres, eines, ohne Soldaten und mit genügend Geld, damit ich meine Kinder zu Schule schicken kann.»
Die Witwe arbeitet auf einer Gummibaum-Plantage. Sie verdient 1.50 Franken am Tag, was nicht reicht, um vier Kinder zu ernähren. Ihr ältester Sohn wird die Schule nun abbrechen, um mit seiner Mutter auf der Plantage Geld zu verdienen. Der Konflikt hat der Frau nicht nur den Mann geraubt, sondern ihren Kindern auch die Zukunft.
Echo der Zeit, 2.3.2020, 18:00 Uhr; hosb;gotl