Das Problem ist altbekannt. Bloss gelöst wurde es nie. Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg formuliert es so: «Die USA leisten sich ein Infanterie-Kampffahrzeug, die übrigen Nato-Staaten 19 verschiedene Typen. Drei Luft-Luft-Raketentypen sind es in den USA, 13 in Europa und bei den Fregatten besitzt Washington vier Typen, die restliche Nato 29.»
Der deutsche Nato-General Gert-Johannes Hagemann sieht deshalb die Zusammenarbeit im Bündnis unnötigerweise erheblich eingeschränkt. Er fordert: «Wir müssen bei zukünftigem Gerät dafür sorgen, dass es mit den Nachbarn kompatibel ist.»
Heute stehen auf dem Rollfeld noch ein Eurofighter und ein Rafale nebeneinander. In Zukunft wird es ein Flugzeug für beide Nationen geben.
Konkret: Die Nato-Staaten bezahlen für ihr militärisches Gerät unnötig viel. Solange es etwa mehrere verschiedene Panzer- oder Kampfflugzeugtypen gibt, müssen die inzwischen horrend hohen Entwicklungskosten auf geringe Stückzahlen umgelegt werden. Der einzelne Rafale, der einzelne Eurofighter oder Gripen kostet also viel zu viel.
Ende der luxuriösen Selbstversorgung
Das wissen alle. Dennoch hegte und pflegte bisher jedes Land eifersüchtig seine heimische Rüstungsindustrie. Und keine nationale Militärführung kaufte einfach eine Fregatte oder einen Panzer von der Stange, sondern vielfältige, aber eben teure Sonderanfertigungen.
Dies obschon staatliche Mittel zunehmend knapp sind, jedoch die Aufgaben der Streitkräfte ständig steigen, wie die französische Verteidigungsministerin Florence Parly sagt. Doch nun wächst offenkundig der politische Druck mit dem Luxus aufzuhören, dass sich jedes Land sein Rüstungsmenü autonom bestellt.
Ein erster Schritt wurde bereits mit dem Kooperationsprojekt Eurofighter getan. Doch dessen Erfolg, vor allem auf den Exportmärkten, hält sich in Grenzen. Vor zwei Jahren folgte die Fusion des französischen Panzerbauers Nexter mit dem deutschen Anbieter Krauss-Maffei.
Und nun kommt ein wirklich grosser Schritt: Deutschland und Frankreich entwickeln ihr künftiges Kampfflugzeug gemeinsam und zwar mitsamt einem umfassenden Luftverteidigungssystem mit Drohnen, Satelliten und Lenkwaffen.
Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte neulich auf der Luftfahrtmesse in Berlin: «Wir beschaffen gemeinsam Luftfahrzeuge, wir bilden gemeinsame Staffeln, wir führen gemeinsame Auslandmissionen durch.»
Aus Konkurrenten werden Partner
Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen nimmt schon Abschied von der Gegenwart: «Heute stehen auf dem Rollfeld noch ein Eurofighter und ein Rafale nebeneinander. In Zukunft wird es ein Flugzeug für beide Nationen geben.»
Konkurrenten – Airbus und der französische Rüstungskonzern Dassault – werden zu Partnern. Laut Dassault-Konzernchef Eric Trappier könne man nur so den Amerikanern die Stirn bieten, welche die europäische Rüstungsindustrie und die europäische Rüstungszusammenarbeit bekämpften.
Die Marschrichtung ist nun vorgegeben. Offen bleibt, ob der Schulterschluss zwischen Paris und Berlin die Briten, die Italiener oder die Spanier ausschliesst? In Grossbritannien, wo sich der Sitz des Rüstungsriesen BAE-Systems befindet, ist das ein grosses Thema.
Deutsch-französische Dominanz?
BBC-Wirtschaftsreporter Theo Leggett bleibt zuversichtlich: «Europäische Verteidigungsvorhaben sind auf viele Partnerschaften angewiesen, das zeigt die Geschichte.» Entwicklungs- und Produktionszyklen im Rüstungsbereich sind enorm lang.
Der neue deutsch-französische Kampfjet wird kaum vor dem Jahr 2035 fertig und wohl erst 2040 serienmässig ausgeliefert. Bis wirklich Kosteneinsparungen und Kampfkraftsteigerungen erzielt werden, dauert es also noch.