Militärische Situation
In der Ukraine bleibt die Lage um das umkämpfte Atomkraftwerk Saporischja weiterhin gefährlich. Russland lehnte den von 42 Ländern und der EU am Sonntag geforderten sofortigen Abzug seiner Truppen von dem seit Tagen umkämpften AKW ab. Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski hat Russland erneut mit Nachdruck zum Rückzug seiner Soldaten aus dem Atomkraftwerk in Saporischja aufgefordert. Er warnte einmal mehr auch vor den Folgen einer möglichen nuklearen Katastrophe.
Die russischen Besatzer schlagen eine Feuerpause in dem umkämpften Gebiet vor, meldet die staatliche russische Nachrichtenagentur «Ria Nowosti». Am Montag sind erneut Artilleriegeschosse beim Kernkraftwerk eingeschlagen.

Bei Artillerieangriffen des russischen Militärs in der Region Donezk wurden mindestens drei Zivilisten getötet und 20 weitere verwundet, wie ukrainische Behörden mitteilten. Durch den Beschuss wurden Dutzende von Wohngebäuden und zivile Infrastrukturen beschädigt. In der zweitgrössten Stadt des Landes, Charkiw, wurden durch russischen Beschuss sieben Zivilisten verwundet.
Im Süden der Ukraine ist die Autobrücke des Staudamms Nowa Kachowka im Gebiet Cherson nach ukrainischen Angaben infolge mehrerer Angriffe nicht mehr zu befahren. Die Verwaltung der russischen Besatzer bestätigte den Beschuss. Zugleich warnte sie vor Schäden an der Staumauer, was zu einer Katastrophe führen könne.
Betreiber haben nach eigenen Angaben die Leistung des angeschlossenen Wasserkraftwerks auf Notbetrieb heruntergefahren. «Wir arbeiten in einem sehr gefährlichen Modus», sagte der Vizechef des Kraftwerks, Arseni Selenski, der russischen staatlichen Nachrichtenagentur «Tass» zufolge am Wochenende.
Das Verteidigungsministerium in Moskau bestätigte in seinem Lagebericht den Raketen- und Artilleriebeschuss unter anderem in den Gebieten Charkiw und Cherson. Der Schwerpunkt lag demnach weiter im Gebiet Donezk, das im Zuge des russischen Angriffskriegs als nächstes Ziel Moskaus komplett der ukrainischen Kontrolle entrissen werden soll.

Einschätzungen aus Grossbritannien
Das russische Militär will nach britischer Einschätzung seine Truppen im Süden der Ukraine verstärken. Dazu habe es sich in der vergangenen Woche wohl auf eine Umgruppierung von Einheiten fokussiert.
Zudem seien Russlands Pläne für ein Referendum in der ukrainischen Region Donezk über den Anschluss an die Russische Föderation wohl weit fortgeschritten. Ob in Moskau bereits abschliessend entschieden ist, eine solche Volksbefragung abzuhalten, sei aber noch nicht klar, hiess es am Montag in dem täglichen Geheimdienst-Update des britischen Verteidigungsministeriums zum Ukraine-Krieg.
Nahrungsmittel-Transporte werden fortgesetzt
Der erste Getreidefrachter im Auftrag der Vereinten Nationen ist am Sonntag aus dem südukrainischen Hafen Piwdennyj mit Weizen für Afrika ausgelaufen. Zudem haben letzte Woche zwei weitere Schiffe Richtung Türkei ukrainische Häfen am Schwarzen Meer verlassen.

Die UNO und die Türkei hatten Ende Juli Vereinbarungen vermittelt, dass die Ukraine trotz des russischen Angriffskrieges wieder Getreide über ihre Schwarzmeerhäfen ausführen darf. Seit Anfang August haben mehr als ein Dutzend Frachter ukrainisches Getreide abtransportiert.
Kriegsopfer
Armeeangehörige: Ein genaues Bild über Todesopfer – sowohl auf russischer wie auf ukrainischer Seite – gibt es nicht. Die Angaben und Schätzungen gehen weit auseinander. Die Ukraine geht davon aus, dass 43'750 russische Armeeangehörige ihr Leben verloren haben (Stand 15. August). Westliche Experten zweifeln diese Zahl an.
Nach Schätzungen des US-Verteidigungsministeriums sind auf russischer Seite 70'000 bis 80'000 Menschen getötet oder verletzt worden. Die russische Armee habe ausserordentliche Verluste gemacht, weil das ukrainische Militär gut funktioniere und viel Unterstützung bekommen habe, sagte der Pentagon-Spitzenbeamte Colin Kahl.
Zivile Opfer: Gemäss ukrainischen Polizeiangaben sind bisher über 12'000 Zivilistinnen und Zivilisten umgekommen. Laut dem UNO-Hochkommissariat für Menschenrechte haben Beobachter bisher 5237 getötete und 7035 verletzte Zivilisten durch den Angriff der Russischen Föderation auf die Ukraine gezählt (Stand 25. Juli). Man gehe jedoch davon aus, dass die tatsächlichen Zahlen erheblich höher seien.
Flüchtende: Mehr als 10.6 Millionen Menschen haben seit dem russischen Angriff auf die Ukraine das Land verlassen. Das teilt das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) mit. Auch innerhalb der Ukraine befinden sich mehrere Millionen Menschen auf der Flucht.
In der Schweiz haben bis Montag 62'414 Geflüchtete aus der Ukraine den Schutzstatus S beantragt, wie das Staatssekretariat für Migration (SEM) auf Twitter bekannt gab.