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Krieg in Syrien «Die Waffenruhe kann nicht durchgesetzt werden»

Obwohl die UNO am Wochenende eine Waffenruhe für Syrien beschlossen hat, gehen die Kämpfe und das Blutvergiessen weiter. Die Journalistin Inga Rogg erklärt die Lage.

SRF News: Wie sieht die Situation in Ost-Ghuta zurzeit aus?

Inga Rogg: Es hat sich nichts geändert. Es gab zwar ein paar Stunden Ruhe. Aber dann hat das Regime am frühen Sonntagmorgen eine Bodenoffensive gestartet. Diese geht auch heute weiter. Darüber hinaus gibt es Berichte, dass das Regime Giftgas eingesetzt habe. Ganz konkret: Es gibt Vorwürfe, es seien in Ost-Ghuta Mörser mit Chloringas gefüllt eingeschlagen und hätten mehrere Personen verletzt.

Das Töten geht weiter

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Laut dem Hochkommissar für Menschenrechte, Zeid al-Hussein, gingen die Luftangriffe auf Ghuta weiter. Die syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte meldet, dass in der Umgebung von Damaskus 10 Menschen getötet wurden. Zudem meldet die Organisation, dass bei einem Luftangriff der internationalen Anti-IS-Koalition im Osten Syriens mindestens 25 Zivilisten ums Leben gekommen sind, darunter sieben Kinder.

Trotz der beschlossenen Waffenruhe wird weitergekämpft. Hält sich überhaupt jemand an die Resolution?

Alle haben beteuert, dass sie diese Waffenruhe begrüssen, aber dann gingen die Kämpfe weiter, sowohl um Ghuta als auch im Norden um die von den Kurden kontrollierten Region Afrim. Das Problem mit der Resolution ist dasselbe wie bei früheren Resolutionen: Sie sehen keine Sanktionsmechanismen vor, falls die Waffenruhe verletzt wird. Sie kann also nicht durchgesetzt werden.

In Ost-Ghuta gibt es ein kleines Gebiet, das vom syrischen Ableger der Al-Kaida kontrolliert wird. Mit diesem Vorwand kann das Regime seine Angriffe rechtfertigen.

Es gibt auch keinen Zeitplan, wann sie in Kraft treten soll. Und zudwem sind Terroristen davon ausgenommen. In Ost-Guha gibt es ein kleines Gebiet, das vom syrischen Ableger der Al-Kaida kontrolliert wird. Mit diesem Vorwand kann das Regime seine Angriffe auf Ost-Ghuta und die Zivilbevölkerung rechtfertigen.

Kinder werden nach einem Giftgasangriff behandelt
Legende: Nach unbestätigten Angaben habe das Regime Assads wieder Giftgas eingesetzt. Keystone

Die Waffenruhe sollte auch ermöglichen, dass die 400'000 Menschen, die in Ost-Ghuta eingeschlosssen sind, wieder mit Nahrungsmitteln und Medikamenten versorgt werden können. Ist das überhaupt möglich?

Die Hilfslieferungen sollten sofort erfolgen, heisst es in dieser Resolution, und ohne Vorbedingungen. Aber das ist nicht passiert. Wenn es Luftangriffe und Artillerieangriffe gibt, ist es für die Helfer auch schwierig.

Ein anderer Punkt ist der, dass das Regime diese Konvois bewilligen muss. Und das hat Assad immer benutzt, um die Helfer, aber auch die eingeschlossene Zivilbevölkerung quasi als Geisel zu nehmen.

Da muss man sich schon fragen: Was bringt diese Waffenruhe tatsächlich?

Viele Zivilisten hatten gehofft, dass die Waffenruhe umgesetzt wird, aber sie waren auch skeptisch. Es droht genau das, zu passieren, was wir in Aleppo gesehen hatten. Es gibt viel Diplomatie, es wird ums Komma gerungen, wie es ein Diplomat ausdrückte, und dann am Ende wird es nicht umgesetzt. Die ganzen Verhandlungsstunden waren umsonst.

Ist die Resolution ein Papiertiger, der nichts bringt?

Bisher jedenfalls hat sie nichts gebracht, und es sieht nicht danach aus, als würde sich das ändern.

Das Gespräch führte Christina Scheidegger.

Inga Rogg

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Legende: ZVG

Inga Rogg ist NZZ-Journalistin und lebt zeitweise im Irak. Zurzeit ist sie in Istanbul. Seit 2003 berichtet sie für die NZZ und die «NZZ am Sonntag» aus dem Irak, seit 2009 ist sie auch für SRF im Einsatz.

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