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Krise in Venezuela «Wir haben Beziehungen zu Ländern, nicht zu Personen»

Wer ist Präsident von Venezuela – Nicolás Maduro oder Juan Guaidó? Dieser Machtkampf ist längst keine innere Angelegenheit Venezuelas mehr. Nach den USA haben auch verschiedene europäische Staaten, etwa Grossbritannien, Spanien, Frankreich oder Deutschland, den Oppositionspolitiker Guaidó als venezolanischen Übergangspräsidenten anerkannt. Ist die gegenwärtige Situation in Venezuela für Diplomaten nicht ungewöhnlich herausfordernd? Der ehemalige deutsche Diplomat Volker Stanzel schätzt die Lage im Interview ein.

Volker Stanzel

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Der ehemalige deutsche Diplomat Volker Stanzel war in seiner Zeit als politischer Direktor des Auswärtigen Amtes auch für Lateinamerika zuständig. Er ist heute Vizepräsident der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik.

SRF News: Sind Botschafter und Diplomaten aus Ländern, die gerade den Übergangspräsidenten Juan Guaidó anerkannt haben, in Venezuela überhaupt noch erwünscht?

Volker Stanzel: Maduro hat bisher versucht, den Eindruck zu erwecken, dass er die Geschäfte weiter betreibt wie bisher – und dass Guaidó nur ein Störfaktor ist. Das heisst, wenn sich eine Regierung nicht wirklich feindselig verhält und, wie US-Präsident Donald Trump das getan hat und mit Einsatz von Soldaten und Waffen droht, dann wird Maduro – sehr wahrscheinlich – bemüht sein, die Beziehungen zu erhalten wie bisher. Denn die Anerkennung eines Präsidenten bedeutet ja nicht, dass ein Land die Beziehung zum anderen Land aufgibt. Wir haben Beziehungen zu Ländern, nicht zu Personen, nicht zu Präsidenten.

Maduro hat bisher versucht, den Eindruck zu erwecken, dass er die Geschäfte weiter betreibt wie bisher und dass Guaidó nur ein Störfaktor ist.

Pflegen die Diplomaten auch Kontakt zu Guaidó?

Da kann ich nur spekulieren. Ich würde sagen, so wie sich die europäischen Länder verhalten haben, kann das nur auf der Grundlage guter Informationen über die Person, die Ziele und den Hintergrund von Guaidó geschehen sein. Denn man macht so etwas ja nicht zum Spiel, sondern man muss schon einigermassen sicher sein, dass man hier auf eine Persönlichkeit setzt, die auch die Chance hat, die Zukunft Venezuelas zu gestalten.

Man macht so etwas ja nicht zum Spiel, sondern man muss schon einigermassen sicher sein, dass man hier auf eine Persönlichkeit setzt, die auch die Chance hat, die Zukunft Venezuelas zu gestalten.

Ist die gegenwärtige Situation in Venezuela nicht eine ungewöhnlich herausfordernde Aufgabe für die Diplomaten? Stösst da die Diplomatie an ihre Grenzen?

Das Mass an Gefährdung, das besteht, ist aussergewöhnlich. Wenn es jederzeit sein kann, dass ein Bürgerkrieg ausbricht, – und die Armee ist ja offenkundig gespalten – kann das alle Menschen in dem Land, das bedeutet auch die Ausländer, enorm in Mitleidenschaft ziehen. Die erste Herausforderung ist also die Gewährleistung der Sicherheit der eigenen Staatsangehörigen in dem Bürgerkriegsland. Danach ist die politische Aufgabe, zu bewerten, was passiert und nach Hause zu berichten: «Deswegen empfehlen wir in diesem konkreten Fall auf den selbsternannten neuen Präsidenten zu setzen oder wir empfehlen das nicht.» Das ist die Herausforderung.

Das ist keine einfache Aufgabe.

Nein. Und es hängt eine Menge davon ab – zum Beispiel Menschenleben.

Das Gespräch führte Barbara Büttner.

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