Ökonom Rocky Ansari in Teheran vermag auch die positiven Seiten zu erkennen. Donald Trump versuche, die Islamische Republik mit seinen Sanktionen vom Welthandel abzutrennen, also besinne sich die iranische Wirtschaft auf ihre inneren Werte. Unternehmen würden mit staatlichen Anreizen ermutigt, selbst Produkte herzustellen, die bisher importiert wurden.
Bijan Khajehpour verfolgt die Krise von Wien aus und pflichtet bei. Irans Wirtschaft sei viel breiter aufgestellt und flexibler als viele annähmen – und krisenerprobt: «Aber man darf nie die negative Seite vergessen», sagt der Unternehmensberater. Nämlich Korruption, Misswirtschaft, Intransparenz. Die Sanktionen würden als Rechtfertigung herangezogen, um alles nur noch undurchsichtiger zu machen.
Trumps Sanktionen haben die Ölexporte auf einen Zehntel ihrer Menge reduziert. Der Internationale Währungsfonds (IWF) schätzt, dass Iran in seiner Lage einen Ölpreis von gegen 200 Dollar pro Fass bräuchte, um seinen Staatshaushalt ins Lot zu bringen.
Der aktuelle Ölpreis aber liegt eher bei 20 als bei 200 Dollar. «Und man darf nicht vergessen: Iran exportiert zwar viel weniger Rohöl, aber die meisten Exportgüter sind vom Ölpreis abhängig, ob es jetzt petrochemische Exporte sind oder andere Ölprodukte», sagt Khajehpour.
Wie schwierig die Lage ist, zeigt sich schon daran, dass Teheran zum ersten Mal seit Jahrzehnten beim IWF um Finanzhilfe nachsucht. Vorerst fünf Milliarden Dollar. Das Geld könnte etwa eingesetzt werden, um Einkäufe von «humanitären Gütern» zu bezahlen, sagt Ansari.
Medizinische Produkte, Landwirtschaftsgüter. Diese unterliegen offiziell gar nicht US-Sanktionen. Und doch: Auf dem Weltmarkt hat Iran grosse Schwierigkeiten, nur schon an diese Güter heranzukommen, weil niemand den Geldtransfer übernehmen will.
Iran findet bestenfalls noch Geldwechsler und andere undurchsichtige Kanäle, um Zahlungen über die Grenze hinweg abzuwickeln. Die Geschäftsbanken weigern sich, aus Angst vor Trumps langem Arm.
Die Schweiz und die EU wollen in die Lücke springen, mit je eigenen, staatlich verwalteten Zahlungsmechanismen, für exakt diese humanitären Handelsgeschäfte mit Iran. Aber beide Zahlungsmechanismen stehen auch nach bald zwei Jahren Sanktionen erst ganz am Anfang.
Und ob die Milliardenspritze für Iran beim IWF durchkommt? Trump stellt sich auch da quer. Ökonom Ansari empört das. Iran habe grosse Devisenreserven im Ausland liegen, könne aber wegen der Sanktionen nicht darauf zugreifen, eine Finanzspritze soll es auch nicht geben. Man lasse Iran mitten in der Krise hängen.
Die Sanktionen sollten Teheran an den Verhandlungstisch zwingen, zu einem neuen Atomvertrag mit schärferen Klauseln. Davon sei nichts zu sehen, gibt Khajehpour zu bedenken. Aber auch der Kollaps der iranischen Wirtschaft stehe nicht bevor, den sich Trump insgeheim wohl erhoffe.
Darin sind sich beide Wirtschaftsexperten einig. Die Lage sei ernst, aber Iran habe viele schlimme Zeiten überstanden, acht Jahre Krieg mit Irak etwa, und sich aus eigener Kraft aufgerappelt.
Manche spekulieren darauf, dass der Wahlherbst in den USA einen Kurswechsel bringen könnte. Iran ist offenbar dazu übergegangen, in China Ölvorräte zwischenzulagern, um auf dem Weltmarkt sofort flexibel reagieren zu können, falls sich die Lage zu seinen Gunsten verändert. Doch eine Abwahl von Trump ist nur eine vage Perspektive.