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Krisengeschüttelter Iran Hoffen auf Ende der Ära Trump – und die eigene Stärke

Sanktionen, Ölpreis-Zerfall, Coronakrise: Über dem Iran ziehen dunkle Wolken auf – doch das Land ist krisenerprobt.

Ökonom Rocky Ansari in Teheran vermag auch die positiven Seiten zu erkennen. Donald Trump versuche, die Islamische Republik mit seinen Sanktionen vom Welthandel abzutrennen, also besinne sich die iranische Wirtschaft auf ihre inneren Werte. Unternehmen würden mit staatlichen Anreizen ermutigt, selbst Produkte herzustellen, die bisher importiert wurden.

Bijan Khajehpour verfolgt die Krise von Wien aus und pflichtet bei. Irans Wirtschaft sei viel breiter aufgestellt und flexibler als viele annähmen – und krisenerprobt: «Aber man darf nie die negative Seite vergessen», sagt der Unternehmensberater. Nämlich Korruption, Misswirtschaft, Intransparenz. Die Sanktionen würden als Rechtfertigung herangezogen, um alles nur noch undurchsichtiger zu machen.

Öl-Raffinerie im Südwesten des Iran
Legende: Trotz der Versuche, die Binnenwirtschaft zu stärken: Iran bleibt sehr abhängig von Öl und Gas. Und all den Produkten, die es daraus herstellt. Je weniger diese einbringen, umso geringer die Deviseneinkünfte – diese braucht Iran dringend, um an Importe zu kommen. Reuters

Trumps Sanktionen haben die Ölexporte auf einen Zehntel ihrer Menge reduziert. Der Internationale Währungsfonds (IWF) schätzt, dass Iran in seiner Lage einen Ölpreis von gegen 200 Dollar pro Fass bräuchte, um seinen Staatshaushalt ins Lot zu bringen.

Der aktuelle Ölpreis aber liegt eher bei 20 als bei 200 Dollar. «Und man darf nicht vergessen: Iran exportiert zwar viel weniger Rohöl, aber die meisten Exportgüter sind vom Ölpreis abhängig, ob es jetzt petrochemische Exporte sind oder andere Ölprodukte», sagt Khajehpour.

Der iranische Präsident Hassan Rohani
Legende: Noch Ende Februar liess Präsident Rohani verlauten, in ein paar Tagen werde der Spuk vorbei sein. Inzwischen sagt er etwas anderes: Die Coronakrise werde Iran und die iranische Wirtschaft noch lange beschäftigen. Reuters

Wie schwierig die Lage ist, zeigt sich schon daran, dass Teheran zum ersten Mal seit Jahrzehnten beim IWF um Finanzhilfe nachsucht. Vorerst fünf Milliarden Dollar. Das Geld könnte etwa eingesetzt werden, um Einkäufe von «humanitären Gütern» zu bezahlen, sagt Ansari.

Medizinische Produkte, Landwirtschaftsgüter. Diese unterliegen offiziell gar nicht US-Sanktionen. Und doch: Auf dem Weltmarkt hat Iran grosse Schwierigkeiten, nur schon an diese Güter heranzukommen, weil niemand den Geldtransfer übernehmen will.

Iran findet bestenfalls noch Geldwechsler und andere undurchsichtige Kanäle, um Zahlungen über die Grenze hinweg abzuwickeln. Die Geschäftsbanken weigern sich, aus Angst vor Trumps langem Arm.

Kunden in einem Geschäft, das nach dem Lockdown wiedereröffnet hat (Teheran, 20. April 2020)
Legende: Die Folgen der Coronakrise sind noch gar nicht abzusehen, gibt Ansari zu bedenken. Der IWF sagt Iran für das laufende Jahr einen neuen Einbruch von minus sechs Prozent der Wertschöpfung voraus. Reuters

Die Schweiz und die EU wollen in die Lücke springen, mit je eigenen, staatlich verwalteten Zahlungsmechanismen, für exakt diese humanitären Handelsgeschäfte mit Iran. Aber beide Zahlungsmechanismen stehen auch nach bald zwei Jahren Sanktionen erst ganz am Anfang.

Und ob die Milliardenspritze für Iran beim IWF durchkommt? Trump stellt sich auch da quer. Ökonom Ansari empört das. Iran habe grosse Devisenreserven im Ausland liegen, könne aber wegen der Sanktionen nicht darauf zugreifen, eine Finanzspritze soll es auch nicht geben. Man lasse Iran mitten in der Krise hängen.

Abermilliarden in religiösen Stiftungen?

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Das Regime nutzt jede Gelegenheit, um Trumps Politik des maximalen Drucks als menschenverachtend, ja mörderisch zu brandmarken. Washington kontert, die Mächtigen in der Islamischen Republik hätten in ihren aufgeblähten religiösen Stiftungen noch genügend Geld zur Linderung der Not ihrer Landsleute.

Dreistellige Milliardenbeträge werden jeweils genannt, die allein im Umfeld von Revolutionsführer Khamenei gehortet würden. Khajehpour hält das für übertrieben: «Aber es ist tatsächlich so, dass es Mittel gibt, die man besser einsetzen und managen könnte und ich bin der Meinung, dass die Konsequenz der jetzigen Krise sein wird, dass die Regierung gewisse Zahlungen an zum Beispiel religiöse Stiftungen stoppen wird.»

Ob mit dem Argument aus Washington die Sanktionen zu rechtfertigen sind, ist eine andere, politische Frage.

Die Sanktionen sollten Teheran an den Verhandlungstisch zwingen, zu einem neuen Atomvertrag mit schärferen Klauseln. Davon sei nichts zu sehen, gibt Khajehpour zu bedenken. Aber auch der Kollaps der iranischen Wirtschaft stehe nicht bevor, den sich Trump insgeheim wohl erhoffe.

Darin sind sich beide Wirtschaftsexperten einig. Die Lage sei ernst, aber Iran habe viele schlimme Zeiten überstanden, acht Jahre Krieg mit Irak etwa, und sich aus eigener Kraft aufgerappelt.

Blick auf Teheran.
Legende: Die Krise trifft die Bevölkerung hart, sagt Ansari: Viele lebten von der Hand in den Mund und hätten mit dem Lockdown ihr Einkommen verloren; Geschäftsleute könnten ihre Miete nicht mehr bezahlen und würden nun bankrott gehen; andere warteten ab und wollten nichts mehr ausgeben. Reuters

Manche spekulieren darauf, dass der Wahlherbst in den USA einen Kurswechsel bringen könnte. Iran ist offenbar dazu übergegangen, in China Ölvorräte zwischenzulagern, um auf dem Weltmarkt sofort flexibel reagieren zu können, falls sich die Lage zu seinen Gunsten verändert. Doch eine Abwahl von Trump ist nur eine vage Perspektive.

Der IWF, Iran und das Vetorecht der USA

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Theoretisch haben alle IWF-Mitgliedstaaten Anrecht auf Kredite aus dem Währungsfonds. Die Höhe hängt von den Anteilsscheinen ab, die ein Staat gezeichnet hat. Im IWF-Vorstand wird in der Regel im Konsens entschieden.

Die Stimmrechtsverhältnisse bilden zugleich das Machtverhältnis ab. Denn bei wichtigen Entscheiden braucht es eine Mehrheit von 85 Prozent der Stimmen. Das führt dazu, dass die USA mit gut 17 Prozent der Stimmen als einziger Staat eine Sperrminorität haben. Im Fall Iran dürften sich voraussichtlich noch andere Länder querstellen.

Der IWF ist also eine politische Organisation, und die Staaten können sich nicht unbedingt darauf verlassen, Kredite zu bekommen, wenn sie sie brauchen. Dazu kommen die oft harten Bedingungen mit Souveränitätsverlust in der Wirtschaftspolitik und beim Budget. Das hemmte schon verschiedentlich Staaten, Kredite zu beantragen, wie Bodo Ellmers von der Nichtregierungsorganisation «Global Policy Forum» erinnert. Das schade dem Ansehen des IWF.

Echo der Zeit vom 27.04.2020

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