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Kritik aus den eigenen Reihen «Trump hat die Grenze überschritten und seine Macht missbraucht»

Für die US-Demokraten ist klar: Präsident Donald Trump muss des Amtes enthoben werden. Komplizierter ist die Sache bei den Republikanern.

Zwar verteidigen viele von ihnen den Präsidenten nach wie vor vehement. Doch hinter den Kulissen ist Nervosität spürbar, wie der Chefstratege des damaligen Präsidenten George W. Bush, Peter Wehner, weiss.

Peter Wehner

Ex-Chefstratege von George W. Bush

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Peter Wehner hat unter den drei letzten republikanischen Präsidenten gedient. Zuletzt war er Chefstratege unter George W. Bush. Heute ist Wehner Vizepräsident des konservativen Thinktanks Ethics and Public Policy Center (EPPC) in Washington. Wehner gilt als Trump-Kritiker der frühen Stunde.

SRF News: Die Republikaner im Kongress sehen allesamt kein Problem darin, dass ein Präsident einen ausländischen Staatschef darum bittet, gegen seinen politischen Gegner zu ermitteln. Glauben sie das wirklich, oder sagen sie das nur?

Peter Wehner: Es ist viel Scheinheiligkeit dabei, denn viele glauben nicht, was sie sagen. Sie sagen es aber doch, weil sie Angst haben oder weil sie sich in einem fundamentalen politischen Kampf wähnen. Es herrscht eine Psychologie der Anpassung, die das Verhalten der Republikaner gegenüber Präsident Trump prägt. Das alles führt dazu, dass die Leute Dinge sagen, die sie vor einigen Jahren niemals gesagt hätten.

Republikanische Abgeordnete sagen Dinge, die sie vor einigen Jahren niemals gesagt hätten.

Wovor haben die Republikaner Angst, was geschehen könnte, wenn sie sich gegen ihn wenden?

Sie machen sich zur Zielscheibe für die Wut von Trump und seiner Basis. Seine Anhänger wähnen sich in einem existenziellen moralischen Kampf. Sie glauben, dass Trump der General ihrer Armee ist, und dass sie ihm unbedingten Gehorsam schulden. Und jeder oder jede, die ihm widerspricht, ist schwach und muss eliminiert werden.

Die Republikaner im Kongress sind also sozusagen Geiseln ihrer Wähler und Wählerinnen?

Ja, das kann man so sagen. Ich habe mit Republikanern im Kongress gesprochen, die wissen, wer Trump ist. Sie wissen, dass er eine Persönlichkeitsstörung hat, dass er ethisch untragbar ist. Sie widersprechen uns Trump-Kritikern privat nicht, sie haben einfach Angst sich öffentlich zu äussern.

Ich habe mit Republikanern im Kongress gesprochen, die Angst haben, sich öffentlich zu äussern.

Viele haben Angst nicht wiedergewählt zu werden. Oder wie ein hochrangiger Republikaner mir kürzlich erzählte: In vielen Wahlbezirken ist Trump populärer als die dortigen Abgeordneten.

Höchstwahrscheinlich wird das Abgeordnetenhaus über eine Amtsenthebung abstimmen. Danach rutscht das Verfahren in den Senat, wo die Republikaner das Sagen haben. Es braucht knapp 20 Republikaner, die gegen Trump stimmen würden, um ihn abzusetzen. Ist eine Überraschung möglich?

Möglich ist es, Politik ist nie statisch. Aber die Republikaner im Senat werden sich nicht gegen Trump wenden, ausser es gibt einen deutlichen Einbruch in der öffentlichen Meinung. Und da sind bisher nur kleine Risse bemerkbar. Hinter Trump stehen der konservative Medienkomplex – Fox News, die Talk-Radios – und viele Anhänger sind mobilisiert. Trump kann tun, was er will, sie halten zu ihm.

Trump kann tun, was er will, seine Anhänger halten zu ihm.

Und die konservativen Medien schlagen auch zurück. Es war interessant, wie der Medienapparat in Gang kam, nachdem die Demokraten ein Impeachment eröffnet haben. Wer kontrolliert eigentlich diesen gut geölten Apparat?

Wenn es jemand ist, dann Donald Trump. Er sendet via Twitter und seine Kommentare die Signale aus, wie man reagieren soll, wen man wie aggressiv angreifen soll, was man sagen soll. Schwierig ist das für seine Verteidiger, denn Trump ist volatil: Er sagt an einem Tag das eine und am anderen Tag etwas anderes. Oft machen sie sich lächerlich, oft gehen sie in Deckung und sagen gar nichts mehr, damit sie nicht eine Sache verteidigen müssen, die man eigentlich nicht verteidigen kann – oder die Trump einen Tag oder zwei später unterläuft.

Könnte es sein, dass der umstrittene Truppenrückzug aus Syrien zu Widerstand unter den Republikanern führt?

Vielleicht, wenn Trump uns in einen katastrophalen Krieg hineinreitet oder sich noch irrationaler und gefährlicher verhält. Dann kommt es zur Ernüchterung. Ich habe noch nicht herausgefunden, wo für die Republikaner die Toleranzgrenze liegt. Ich gehe davon aus, dass es eine gibt.

Ich gehe davon aus, dass es auch für Republikaner eine Toleranzgrenze gibt.

Sie sind konservativ, nannten sich bis vor Kurzem einen Republikaner. Doch Sie halten ein Amtsenthebungsverfahren für gerechtfertigt. Warum?

Trump hat eine Grenze überschritten und seine Macht missbraucht. Wenn sein Verhalten kein Impeachment rechtfertigt, dann weiss ich nicht, was es brauchen würde. Er hat genau das getan, was die Gründerväter befürchteten, die das Imepachment in die Verfassung schrieben. Nämlich dass ein Präsident sich zum Werkzeug fremder Mächte machen könnte. Kein Präsident hat das bisher auf eine Art und Weise getan wie Trump.

Je länger Trump an der Macht ist, desto grösser wird der unauslöschliche Makel für die republikanische Partei.

Würde eine Amtsenthebung von Präsident Trump nicht den Untergang für die Republikaner bedeuten?

Wahrscheinlich würde eine Verurteilung den Republikanern helfen. Denn je länger Trump an der Macht ist, desto grösser wird der unauslöschliche Makel für die republikanische Partei. Kurzfristig wären die Kosten für die Republikaner hoch, sie würden fast sicher die Wahlen kommendes Jahr verlieren. Aber die verlieren sie vielleicht sowieso. Es könnte zu einer Art Watergate-Effekt kommen: Die Republikanische Partei könnte wegen ihrer Verbindung mit Donald Trump zum Inbegriff für Korruption werden.

Das Gespräch führte Isabelle Jacobi.

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