Der Theaterbesitzer und Kultursekretär Roberto Alvim ist nicht einfach ein Rechtsaussen mehr, den Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro in sein Kabinett aufgenommen hatte. Das wurde klar, als Alvim in einer Videobotschaft die Kulturpreise der Regierung vorstellte: «Die brasilianische Kunst des nächsten Jahrzehnts wird heroisch sein und national. Oder sie wird gar nichts sein», liess er darin verlauten.
Allein die Ästhetik des Videoauftritts liess viele erschaudern. Zu Alvims Ansprache waren im Hintergrund Klänge aus Richard Wagners Oper «Lohengrin» zu hören und verstärkten den Eindruck, hier laufe Nazi-Propaganda.
Der ominöse Satz selbst ist ein Zitat aus einer Rede von Hitlers Propaganda-Minister Joseph Goebbels, gehalten im Jahr 1933 vor deutschen Theaterleitern.
Die Äusserungen sorgten für einen Sturm der Entrüstung. Deshalb entschied sich Präsident Bolsonaro, den Kultursekretär zu entlassen. Diese Distanzierung ist aber wohl nur oberflächlicher Natur, wenn man sich anschaut, wie in Brasilien die liberale Demokratie ausgehöhlt wird.
Bolsonaros Kultursekretär erklärte später, er habe nicht gewusst, woher der Satz stamme, er hätte ihn sonst nicht gesagt. Und machte im selben Atemzug alles noch schlimmer: «Inhaltlich ist die Aussage absolut perfekt; ich kann sie voll unterschreiben», schob Alvim nach.
Vorzensur im Filmwesen
Das zeigt, wie sich die Regierung Bolsonaros Kulturpolitik in Brasilien vorstellt. Und einige dieser Vorstellungen hat sie schon umgesetzt: Im Filmwesen etwa existiert eine Art Vorzensur. Mit staatlichen Mitteln wird nur noch das gefördert, was der Regierung ideologisch in den Kram passt. Feministische oder Genderthemen oder überhaupt alles, was als gesellschaftskritisch oder gar als links gilt, gehört nicht dazu.
«Demokratie auf der Kippe», ein brasilianischer Dokumentarfilm der politisch links stehenden Regisseurin Petra Costa, ist gerade für einen Oskar nominiert worden. Brasiliens Präsident sagt, das Werk sei «eine Schweinerei».
Waffengesetze gelockert
Ausserdem setzt Bolsonaro auf die Lockerung der Waffengesetze. Viele Brasilianer haben sich eine oder mehrere Waffen beschafft. Bolsonaro schreibt den leichten Rückgang der Mordrate im letzten Jahr dieser Massnahme zu. In Wirklichkeit ist es 2019 einzig zu weniger Massakern in den Gefängnissen gekommen, die jeweils Dutzende von Toten fordern und sehr statistikrelevant sind.
Hingegen steigt die Zahl von Polizeieinsätzen mit tödlichem Ausgang steil an. Besonders, seit jeder Schusswechsel automatisch als Selbstverteidigung der Beamten ausgelegt und gar nicht mehr untersucht wird.
Brachialgewalt würde wohl auch eingesetzt, sollten die Brasilianer auf die Idee kommen, breit gegen die Obrigkeit zu protestieren, so wie das in Chile der Fall ist. Bolsonaros Sohn und der Finanzminister plädieren für diesen Fall dafür, die institutionelle Akte Nr. 5 aus der Schublade zu holen. Dieses Dekret war das Werkzeug der letzten Militärdiktatur, mit den bürgerlichen Freiheiten aufzuräumen.