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Massenpanik in Israel «Der Ort war masslos überfüllt»

In Israel sind bei einer Massenpanik an einem jüdischen Fest mindestens 44 Personen ums Leben gekommen. Zum Unglück kam es am Feuerfest Lag-Ba-Omer im Norden Israels, wo sich laut Medienberichten Zehntausende ultraorthodoxe Juden versammelt hatten. Joëlle Weil, Journalistin in Tel Aviv, sagt, die Regierung habe längst die Kontrolle über solche Anlässe verloren.

Joëlle Weil

Journalistin

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Seit 2013 lebt und arbeitet die Zürcherin Joëlle Weil als freie Journalistin und Kolumnistin in Tel Aviv.

SRF News: Wie konnte es zu dieser Massenpanik am Feuerfest kommen?

Joëlle Weil: Das ist noch nicht ganz klar. Bis jetzt weiss man, dass Leute ausgerutscht sind. Der Ort war masslos überfüllt, wie man auf den Bildern, die in den sozialen Medien veröffentlicht wurden, sieht. Laut den Veranstaltern haben sich 20'000 Leute bei einem schmalen Gang befunden. Irgendetwas Glattes lag dort am Boden. Das hat gereicht für eine Massenpanik. Die Leute lagen übereinander, sie wurden totgetrampelt.

Waren keine Fluchtwege vorhanden? Gab es kein Sicherheitskonzept?

Es ist noch nicht ganz klar, was hier passiert ist oder was nicht funktioniert hat. Laut Zeugenaussagen hat die Polizei die Ausgänge während der Massenpanik versperrt. Da gibt es noch ganz viele offenen Fragen.

Was wird an Lag-Ba-Omer gefeiert?

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Lag-Ba-Omer ist ein jüdisches Fest, ein Halbfeiertag, der an einem fixen Tag zwischen den Feiern zu Pessach und Schawuot begangen wird. Der Ursprung geht auf den Bar-Kochba-Aufstand gegen die Römer von 132 bis 135 nach Christus zurück. Zusätzlich dient das Fest der Erinnerung an Rabbi Schimon bar Jochai, der laut Überlieferung gegen die Römer gekämpft hat und an dem Tag verstorben ist. Seine Grabstätte in Meron wird an Lag-Ba-Omer besucht.

Die Polizei hat am Morgen Ermittlungen angekündigt. Eigentlich hätte der Aufenthalt in dem Bereich auf ein paar Minuten für ein paar Personen beschränkt sein sollen. Daran hat sich aber offenbar niemand gehalten.

Eigentlich war die Anzahl der Teilnehmer auf 10'000 Personen beschränkt. Es waren aber viel mehr da. Ist dem Veranstalter die Kontrolle entglitten?

Die Tatsache, dass 100'000 Leute an der Veranstaltung teilgenommen haben, ist überhaupt nicht erstaunlich. Auch, dass ultraorthodoxe Anlässe eine Eigendynamik entwickeln. Das passiert jedes Jahr und immer wieder.

Die Regierung hat darüber schon längst die Kontrolle verloren, unabhängig von diesem Event.

Was jedoch hier versäumt wurde, vor allem im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie, ist die Einbindung von ultraorthodoxen Führungspersonen, da die ultraorthodoxe Gemeinde in Israel sich nicht direkt sich an Regierungsanweisungen hält. Doch die israelische Regierung hat darüber schon längst die Kontrolle verloren, unabhängig von diesem Event.

Warum wurde diese Massenveranstaltung überhaupt bewilligt?

In dem Sinne und in diesem Rahmen wurde sie gar nicht gutgeheissen. Von Regierungsseite wurde ganz klar davon abgeraten, daran teilzunehmen. Und es hätten auch nur 10'000 Leute teilnehmen sollen, und zwar mit dem grünen Pass . Aber die ultraorthodoxe Gemeinde ist ein Staat im Staat. Das wird im Laufe des Wochenendes sicher noch für viele Diskussionen in Israel führen.

Das Gespräch führte Lillybelle Eisele.

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SRF 4 News, 30.04.2021, 08:00 Uhr ; 

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