Die Ausgangslage: Die britische Premierministerin Theresa May will angesichts der wirtschaftlichen Unsicherheit nach dem Brexit die Unternehmen auf der Insel deutlich entlasten. Die Unternehmenssteuern sollten auf den niedrigsten Stand der führenden 20 Industrieländer (G20) gesenkt werden. Zugleich räumte sie in einer Rede bei der Jahrestagung des Britischen Industrieverbandes (CBI) offen ein, dass der Ausstieg aus der EU eine Herausforderung für die Wirtschaft sei.
Niedrigster Satz: Bereits jetzt hat London ins Auge gefasst, den Steuersatz für die Unternehmen bis zum Jahr 2020 von derzeit 20 auf 17 Prozent zu senken. Das wäre nach Angaben der «Financial Times» der niedrigste Satz in den G20-Staaten. Laut der Zeitung wird allerdings im Umkreis von May auch eine Senkung auf 15 Prozent ins Auge gefasst – falls der künftige US-Präsident Donald Trump die Unternehmenssteuern wie versprochen auf diesen Stand drücken sollte.
Das Hilfsprogramm: May kündigte zugleich staatliche Hilfen in Höhe von jährlich zwei Milliarden Pfund für Forschung und Entwicklung an. Geringe Produktivität sei eines der Hauptprobleme der britischen Wirtschaft. Um dies zu überwinden, forderte sie eine «neue industrielle Strategie».
Die Kritik aus Berlin: Der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble sieht die angekündigten Steuersenkungen sehr kritisch. Er betrachtet einen möglichen Wettlauf Grossbritanniens mit anderen Top-Wirtschaftsmächten um die niedrigsten Unternehmenssteuern skeptisch. Noch sei Grossbritannien Mitglied der EU und damit an entsprechendes europäisches Recht gebunden, meinte Schäuble.
Einschätzung von SRF-Wirtschaftsredaktor Jan Baumann
«Der Standortwettbewerb läuft in der Praxis zu einem grossen Teil über das Argument tiefer Steuern. Die britische Premierministerin könnte mit ihrem Locken also durchaus Erfolg haben. Auch der künftige US-Präsident Donald Trump will die Steuern für Unternehmen senken – die Signale deuten also auf einen neuen globalen Trend hin. Auf der anderen Seite haben die EU und die G20 gute Karten in der Hand. Der Druck, dem Steuerdumping einen Riegel zu schieben, besteht nach wie vor. Man sieht das recht gut am Verhalten der Schweiz: Mit der Unternehmenssteuerreform III sollen die bisherigen Steuerprivilegien abgeschafft werden, weil sie von der internationalen Gemeinschaft nicht länger toleriert werden. Das führt allerdings dazu, dass bei uns die Kantone in einen verschärften Wettbewerb treten und sich mit tieferen Gewinnsteuern überbieten.» |