Schwere Vorwürfe an Algerien: In ganz Algerien werden Migranten aus dem Süden von Sicherheitskräften eingesammelt und in die Nähe der Grenze zu Niger und Mali in die Wüste gefahren. Das berichtet die Nachrichtenagentur AP nach Recherchen. Rund 15 Kilometer vor der Grenze werden die Migranten in der Sahara ausgesetzt – ohne Wasser und Nahrung. Dort werden sie von den Sicherheitskräften aufgefordert in Richtung Niger und Mali zu laufen. Laut der AP sollen so in den vergangenen 14 Monaten rund 13'000 Personen deportiert worden sein. Wie viele die Tortur nicht überlebten, weiss niemand.
Augenzeugen berichten: Die algerische Regierung streitet ihr Vorgehen zwar nicht ab, kommentiert die Vorwürfe aber auch nicht. «Das Phänomen ist unbestritten und dokumentiert», sagt dazu SRF-Nordafrika-Mitarbeiter Beat Stauffer. So gebe es entsprechende Berichte auch von internationalen NGOs und algerischen Organisationen, die sich unter anderem auf Aussagen von Überlebenden stützen. Unklar sei einzig, wie viele Migranten bei dem Marsch in der Wüstenhitze gestorben seien. «Man weiss nur, wie viele Menschen in Niger und Mali ankommen. Wie viele in der Wüste umkommen, weiss man nicht», so Stauffer.
Gewaltige Strapazen: Unter den in die Wüste deportierten Menschen waren laut den Berichten auch Frauen und Kinder sowie Schwangere. Die Überlebenden erzählen davon, dass viele andere auf dem Marsch in der Hitze gestorben sind – an Durst, an Erschöpfung oder an der Hitze. Die Toten mussten sie liegen lassen, eine andere Möglichkeit hatten die ums eigene Leben kämpfenden Menschen nicht. «Es gibt auch Berichte von Warnschüssen durch Grenzwächter – damit die Migranten nicht auf die Idee kommen, wieder nach Algerien zurückzukehren», sagt Stauffer.
Nichts ausser Wüste: Jene, die es in der Wüstenhitze von bis zu 50 Grad Celsius lebend nach Niger oder Mali schaffen, werden dort bestenfalls von einer Hilfsorganisation betreut und zunächst mit dem Allernotwendigsten versorgt. Laut den AP-Berichten sind die betreffenden Grenzdörfer selber auch kaum mehr als eine Ansammlung von Hütten in der Wüste – und von den vielen hilfsbedürftigen Menschen überfordert. Es gibt dort kaum etwas ausser Sand und Hitze, Wasser ist ein äusserst rares Gut. Deshalb werden die Migranten von den Hilfsorganisationen möglichst rasch in Sammelzentren weiter im Süden gebracht.
Zurück in die Heimat: Die in Niger gestrandeten Migranten haben dann nur noch zwei Möglichkeiten: Es nochmals durch die Wüste nach Norden zu versuchen, oder aber in die Heimat zurückzukehren. «Die UNO-Organisation für Migration bietet den Migranten Flüge in ihre Heimat an», weiss Nordafrika-Spezialist Stauffer. Doch längst nicht alle würden das Angebot annehmen. Vor allem junge Männer sähen keine andere Möglichkeit, als den Weg durch die Wüste in Richtung Norden nochmals unter die Füsse zu nehmen.
Grenzen geschlossen: Seit rund einem Jahr werde die Grenze zwischen Algerien und Marokko besser bewacht, das mache es für die Migranten viel schwieriger, von Algerien nach Marokko und von dort weiter in Richtung Norden zu gelangen, so Stauffer. Deshalb stranden viele in Algerien, wo sie dann von den Sicherheitskräften aufgegriffen und an die Grenze im Süden gebracht werden. Auch spiele die Schliessung der Grenze zu Libyen im Sommer 2017 eine grosse Rolle. Damit sei Algerien zum Transitland nach Norden geworden.
Algerien am Pranger: «Algerien ist ein stolzes Land und sehr resistent auf Druck von aussen», sagt Stauffer. Deshalb sei unklar, ob das Land sein Vorgehen bei der Vertreibung von Migranten nach Niger und Mali ändern werde. Übrigens weiss man auch bei der EU von den Zuständen an der algerisch-nigerischen Grenze: Gegenüber der AP sagte ein EU-Sprecher aber lediglich, dass ein souveränes Land durchaus Migranten ausweisen dürfe, so lange es sich an internationales Recht halte.