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Militärausgaben Aufrüstung: Der Vorsprung der USA auf China schwindet

Punkto Militärausgaben haben die USA die Nase noch deutlich vorn. Doch Chinas Aufholjagd läuft.

Die beiden mächtigsten Staaten der Welt, die USA und China, rüsten weiter kräftig auf. Das zeigen die neuesten Zahlen des Stockholmer Friedensforschungsinstituts Sipri. 778 Milliarden Dollar in den USA – 252 Milliarden in China: Der Unterschied bei den Militärausgaben bleibt gewaltig. Doch Jahr für Jahr holt China auf. 2049 will die chinesische Führung den Rückstand aufgeholt haben.

Schon heute ist China näher an den USA dran, als die nackten Zahlen vermuten lassen. «Hauptsächlich, weil sich für dasselbe Geld in China mehr Kampfkraft kaufen lässt als in den USA», sagt Nan Tian, Forscher am Stockholmer Friedensforschungsinstitut Sipri. «Eigentlich müsste man die Verteidigungsausgaben nach Kaufkraft gewichten.»

Dazu kommt: Bei hochgezüchteten Kriegsgeräten, etwa bei Kampfflugzeugen, sind jene aus US-Fertigung wie der F-22 zwar technisch überlegen – jedoch immer weniger deutlich. Kosten tun sie hingegen wesentlich mehr.

Peking will Region dominieren

Dann gibt es Bereiche und Regionen, in denen China schon jetzt die Nase vorn hat. Seine Kriegsmarine sei heute grösser als jene der USA, sagt Nick Childs vom Londoner Strategieinstitut IISS. 360 chinesische stehen 300 US-Schiffen gegenüber. Bei der Tonnage liegen die US-Seestreitkräfte aber noch vorn. Und sie besitzen elf Flugzeugträger, China baut gerade seinen dritten.

China sei bestrebt, möglichst bald die umliegenden Meere zu dominieren, sagt John Chipman, der Chef des IISS. Mittlerweile dürfte das Land dieses Ziel erreicht haben. Seine Kriegsschiffe sind nun häufiger auch im Indischen Ozean und gar im Atlantik und im Mittelmeer unterwegs. Damit ist Peking imstande, seine militärische Macht auch in ferne Weltgegenden zu projizieren.

Chinesische Rüstungskonzerne sind ebenfalls auf Augenhöhe mit den US-Giganten. Zwei bis drei chinesische Waffenschmieden zählen schon zu den Umsatzstärksten weltweit.

Abgehängt hat China die USA bei den landgestützten Mittelstreckenraketen. Nach Einschätzung von Experten auch bei der Boden-Luftverteidigung. Anders sieht es aus etwa bei der Luftwaffe und bei der Nuklearrüstung.

Taiwan ist besorgt

Der relative Vorsprung der Amerikaner schwindet. Deshalb vermuten Strategieexperten, die USA verlören ihre Fähigkeit, gleichzeitig zwei grosse Kriege zu führen. Fände ein solcher Krieg gar im Westpazifik statt, könnte durchaus China als Sieger daraus hervorgehen.

Am meisten Sorgen bereitet das Taiwan. Bisher galt: China wagt es nicht, Taiwan anzugreifen, weil es dann der geballten US-Militärmacht gegenüberstünde. Inzwischen gibt es in Peking weniger Zurückhaltung, denn die regionale militärische Balance hat sich in kurzer Zeit zugunsten Chinas verschoben.

US-Aussenminister Anthony Blinken mochte im Sender «NBC» auch auf mehrfache Nachfrage nicht garantieren, die USA würden Taiwan bei einem chinesischen Angriff militärisch verteidigen. Er beantworte keine hypothetischen Fragen, sondern sage nur, die USA seien gegenüber Taiwan verpflichtet. Und China würde einen schweren Fehler begehen, wenn es Taiwan angriffe.

Lee Hsien Loong, der Premierminister von Singapur, dessen Land sich zum Westen zählt, aber wirtschaftlich eng mit China verflochten ist, sagt es gegenüber der «BBC» so: «Noch sind die USA die Nummer eins, aber China liegt nicht mehr weit zurück.» Er ist überzeugt: Eine direkte Konfrontation sei wahrscheinlicher als noch vor fünf Jahren. Das Risiko sei beträchtlich.

Echo der Zeit, 26.04.2021, 18:00 Uhr

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